Elektronische Gesundheitskarte - noch geht's ohne

Krankenversicherung

  • Lesedauer: 4 Min.
An der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) scheiden sich bis heute die Geister. Befürworter sehen eine Verbesserung der medizinischen Versorgung, die Möglichkeit der Kosteneinsparung oder wittern neue Geschäftsfelder - Gegner warnen vor dem gläsernen Patienten, vor Sicherheitslücken und erheblichen Zusatzkosten. Ein breites Bündnis mobilisiert gegen die Ausbreitung der eGK (www.stoppt-die-e-card.de).

Der Wechsel des Arztes kann schnell zu einer anstrengenden Ausdauerrallye werden: Fragebogen ausfüllen, Vorerkrankungen in den eigenen Unterlagen recherchieren, die x-te Untersuchung durch den neuen Arzt über sich ergehen lassen, und vielleicht müssen Sie auch noch zu einer weiteren Röntgenaufnahme in eine Klinik fahren. Und: »Wie war das gleich mit der letzten Vorsorgeuntersuchung?«

All das ist oft nur nötig, weil Arzt A Ihre Krankenakte nicht an Arzt B schicken will. Arztgeheimnis? Eher schlampige Praxisverwaltung. Egal. Den Stress haben Sie als Patient! Das Chaos soll durch ein kleines Stück Plastik gebändigt werden - durch die elektronische Gesundheitskarte. Sie ersetzt ab 1. Januar 2014 die alte Krankenversicherungskarte und wird nach und nach von den Krankenkassen an die Versicherten versendet.

Klassische Karten mit Magnetstreifen waren schon in den 1990er Jahren marktreif: Banken führten sie als »EC-Karte« für ihre Girokonten ein, Versicherer nutzten sie als Krankenversicherungskarte. Seither wurden die Plastikkarten Teil unseres Alltags. Doch bereits damals hatte es weitergehende Pläne gegeben: Für eine elektronische Chipkarte, einen Minicomputer, der organisatorische Daten sowie medizinische Inhalte aufnehmen sollte. Diese Pläne waren damals politisch nicht durchsetzbar - vor allem, weil sich Daten- und Patientenschützer gemeinsam gegen den »gläsernen Patienten« wehrten. Zwei Jahrzehnte später scheint die Situation grundlegend verändert: Die Chipkarte kommt, nur heißt sie jetzt »elektronische Gesundheitskarte«.

Auf der Karte befinden sich - wie bisher - die sogenannten Stammdaten des Versicherten (Name, Geburtsdatum, Anschrift und Versichertenstatus). Auf der Rückseite ist die »Europäische Krankenversichertenkarte« aufgedruckt. Sie gilt in allen 28 EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz. Mit Einschränkungen ist sie in Mazedonien, Montenegro und Serbien nutzbar.

110 000 vernetzte Praxen

Mit der Einführung der E-Karte entsteht ein sogenanntes Telematiksystem: Dieses verarbeitet die Datenflut auf vielen, miteinander vernetzten Computern, heimlich im Hintergrund der rund 110 000 Arztpraxen in Deutschland. Die Karte ist zum Telematiksystem einer von zwei Schlüsseln: eben der eGK des Patienten und der »Heilberufe-Karte« des Arztes. Das soll Missbrauch verhindern.

Wenn die eGK von den Krankenkassen flächendeckend eingeführt sein wird, müssen alle gesetzlich Versicherten (die privaten Krankenversicherer haben eigene Systeme) für sich entscheiden, ob sie die »freiwilligen Anwendungen« der Karte annehmen oder nicht. Für die neuen Möglichkeiten wird von der Medizinwirtschaft massiv geworben werden. Im Folgenden einige Tipps, die wir in Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale in Kiel erstellten.

Auffällig ist nur das Foto

Die elektronische Gesundheitskarte ersetzt die alte Krankenversicherungskarte. Aber Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung haben sich darauf verständigt, dass die Ärzte »vorübergehend« noch die alte Versichertenkarte akzeptieren.

Die auffälligste Neuerung: Die eGK enthält das Foto des Versicherten. Als Versicherungsnehmer sind Sie grundsätzlich dazu verpflichtet, ein Foto zur Verfügung zu stellen. Sie sollten daher in absehbarer Zeit Ihrer Krankenkasse ein Foto zur Verfügung stellen. Wenn Sie kein aktuelles Foto zur Hand haben, fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach, ob Sie zum Beispiel das Foto per Internet übermitteln können oder ob es in Geschäftsstellen die Möglichkeit gibt, kostenlos ein Foto zu erstellen.

Es gibt Ausnahmen: Kinder unter 15 Jahren benötigen kein Foto auf ihrer elektronischen Gesundheitskarte. Das gilt auch für Versicherte, die etwa länger bettlägerig sind oder Personen in geschlossenen Einrichtungen. Betroffene oder deren Angehörige sollten sich mit der Krankenkasse in Verbindung setzen.

Die Gegner der neuen Karte machen geltend, dass das Foto von den Krankenkassen gar nicht geprüft werden kann, ob es tatsächlich der Versicherte ist. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass die neue elektronische Gesundheitskarte auch nicht den Rang eines Ausweisdokuments besitzt.

Zusatzleistungen nur freiwillig

Die Karte bietet neue Möglichkeiten: Chronische Krankheiten, Röntgenbilder oder medizinische Notfalldaten können gespeichert werden. Ärzte können etwa in einem Notfall schnell darauf zugreifen. Bei den erst geplanten zusätzlichen digitalen Speicheroptionen und -anwendungen handelt es sich jedoch um freiwillige Zusatzfunktionen. Ob und wann diese technischen Neuerungen folgen werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Weitere Optionen für die Karte, wie das elektronische Rezept, eine eventuelle Organspendeerklärung oder die elektronische Patientenakte, werden noch nicht umgesetzt.

Viele Versicherte haben noch keine neue Karte erhalten. Niemand muss aber befürchten, wegen einer fehlenden Karte vom Arzt abgewiesen zu werden. Die Krankenkassen haben sich auf einen allgemein gültigen Endtermin vom 1. Oktober 2014 verständigt. Hermannus Pfeiffer

Die Broschüre »Die elektronische Gesundheitskarte und das Telematik-System im Hintergrund« gibt es für 1,80 Euro bei der Verbraucherzentrale Hamburg unter www.vzhh.de als Download im PDF-Format. Zuzüglich 2 Euro (Porto/Versand) kann man eine gedruckte Version auch online oder per Telefon (040) 24 832-104 bestellen.

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