nd-aktuell.de / 12.02.2014 / Politik / Seite 8

Land unter in Englands Südwesten - die Tories lenken ab

Sparpolitik beeinträchtigte auch den Hochwasserschutz, doch ein Rücktrittsgrund ist das nicht

Ian King, London
Der Südwesten Englands leidet mitten im Winter unter Überschwemmungen. Politiker üben sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Ein Staatssekretär trat sogar zurück - aus ganz anderen Gründen.

Seit vier Wochen stehen landwirtschaftlich genutzte Ebenen der südwestenglischen Grafschaft Somerset unter Wasser. Die Bewohner betroffener Dörfer hausen in Notunterkünften. Erdrutsche am Bahndamm in Dawlish und Crewkerne haben die Verbindung zu den westlich gelegenen Gebieten von Devon und Cornwall abgeschnitten. Statt den Geschädigten zu helfen, schieben Britanniens Politiker einander den Schwarzen Peter zu.

David Cameron kam, sah und siegte. Nicht dass die Erscheinung des Premiers in Gummistiefeln die Fluten gebändigt oder den Rettungskräften irgendwie geholfen hätte. Aber seine kurze Stippvisite im Katastrophengebiet lief ohne böse Zwischenrufe des Publikums ab, denn es war nicht eingeladen. Dafür schaffte es der Premier, rechtzeitig in die Abendfernsehnachrichten zu kommen.

Im Gegensatz zu Cameron suchte Lord Chris Smith, früher Labour-Kulturminister und jetzt Chef der Umweltagentur, das Gespräch mit Experten und mit der Bevölkerung. Er wurde wegen unterlassener Baggerarbeiten im Fluss Parrett ausgepfiffen, die das Hochwasser möglicherweise verhindert hätten. Dass der Haushalt seiner Behörde für Hochwasserschutz wegen der Sparpolitik der Regierenden einschneidend gekürzt worden war, ging in den Fluten unter - wie von Cameron erhofft.

Der zuständige Minister Owen Paterson ist krank und hält sich ohnehin lieber bedeckt. Sein schwergewichtiger Kollege Eric Pickles begab sich an seiner statt in die Fernsehstudios und beschimpfte Smith und die früheren Labour-Regierungen, ließ aber aus Rücksicht auf christliche Wähler zumindest den lieben Gott aus der Liste der angeblich Schuldigen.

Kein Politiker tritt zurück, weil er etwa den Klimawechsel verneint oder verharmlost oder weil Haushaltskürzungen dem Volk geschadet hätten. Aber aus anderen Gründen schon. Mark Harper, Staatssekretär im Innenministerium und für die Propagandafahrten von Bussen mit Slogans gegen illegale Einwanderer im Herbst 2013 politisch verantwortlich, musste den Hut nehmen. Mit unzureichendem Hochwasserschutz hat das nichts zu tun. Aber ausgerechnet der Kreuzritter gegen Migranten beschäftigte sieben Jahre lang eine illegale Einwanderin als Putzfrau. Er wurde daraufhin durch seinen Fraktionskollegen James Brokenshire ersetzt.

Dabei hätte eine größere Regierungsumbildung den Konservativen helfen können, den Ruf der Frauenfeindlichkeit loszuwerden. In der Fragestunde im Parlament höhnte Oppositionschef Ed Miliband jüngst, weil auf der Regierungsbank keine einzige Ministerin saß. Kein Wunder, dass Labour bei Britanniens Frauen einen deutlichen Vorsprung genießt. »Im Bullingdon-Klub gab’s wohl auch keine Frauen«, lästerte der Labour-Chef. Der aristokratische Rüpelverein, dem Cameron, Finanzminister George Osborne und der rechte Londoner Oberbürgermeister Boris Johnson während ihres Studiums in Oxford angehörten, verwüstete vorwiegend Gastwirtschaften, die vermögenden Eltern kamen für den Schaden auf. Seitdem hat das Ausmaß des von den drei Söhnen verursachten Schadens zugenommen - und das britische Volk muss für die Kosten aufkommen. Nicht nur in den Flutgebieten Westenglands.