nd-aktuell.de / 12.02.2014 / Brandenburg / Seite 9

Sozialpläne gegen Bedrohungsszenarien

Drastische Mietsteigerungen nach Modernisierungen sind auf Bezirksebene allein aber nicht zu verhindern

Stephan Fischer
Die Modernisierung des Berliner Wohnungsbestandes ist längst nicht abgeschlossen. In Pankow soll ein Rahmenvertrag mietensteigernde Folgen für Gesobau-Mieter mit Hilfe von Sozialplänen abfedern.
Die Pestalozzistraße 4 in Berlin-Pankow
Die Pestalozzistraße 4 in Berlin-Pankow

»Von einem historischen Moment zu sprechen ist jetzt vielleicht übertrieben, aber ein wichtiger Moment ist es schon für den Bezirk.« Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) versucht, die Worte nicht zu groß klingen zu lassen, als er den »Rahmenvertrag zur sozialverträglichen Modernisierung in Pankow« zwischen dem Bezirk, der Mieterberatung und der landeseigenen Gesobau unterzeichnet. Erleichtert wirkt er trotzdem: »Modernisierungen sind ja schon Bedrohungsszenarien, die wollen wir abfedern.«

Der Rahmenvertrag basiert auf den Regelungen eines Sozialplans für das Pilotprojekt in der Pankower Pestalozzistraße 4. Dieses Verfahren wurde im Dezember 2013 abgeschlossen. Der Vertrag sieht ein Sozialplanverfahren vor: Nach einer einführenden Mieterversammlung sollen Modernisierungsvereinbarungen individuell mit jedem Haushalt abgestimmt werden, die Mieter bis zur Baufertigstellung von der Mieterberatung betreut. Außerdem zählen ein besonderer Kündigungsschutz für Bestandsmieter, der Schutz vor Luxusmodernisierungen und eine Versorgung mit Ersatzwohnungen durch die Gesobau und Berlin zu den Inhalten. Die Vereinbarung soll sicherstellen, »dass kein Mieter durch eine Modernisierung und die damit verbundene Mietsteigerung aus einer Wohnung der Gesobau verdrängt wird«, wie es in einer gemeinsamen Erklärung der drei Vertragsparteien heißt. Dafür sollen die Kosten der Modernisierung für die Mieter auf neun statt der möglichen elf Prozent Erhöhung der Jahresmiete begrenzt werden sowie die Umlage bei der ortsüblichen Vergleichsmiete gekappt werden. Lediglich die Betriebskosteneinsparung, die sich aus den Umbauten ergibt, soll aufgeschlagen werden dürfen.

Allerdings ist diese Energiekosteneinsparung bisher ein oft fiktiver Wert: In einer Beispielwohnung werden 60 Euro im Monat an die Gasag für Heizung und Kochen gezahlt. Durch den Einbau einer neuen Dämmung, neue Fenster und neue Heizungen wird dann eine rechnerische Einsparung bei den Energiekosten von beispielsweise 120 Euro im Monat angenommen. Mit der Begründung, der Mieter spare den Betrag, kann diese Summe auf die ortsübliche Vergleichsmiete draufgeschlagen werden.

Ein Problem, das sowohl Pankows LINKE als auch das Bündnis »Pankower Mietenprotest« bis heute sehen. Auch der Berliner Mieterverein weist darauf hin: »Diese Regelung hatten Senat und städtische Wohnungsunternehmen im Mietenbündnis festgelegt. Weil die rechnerische Einsparung aber regelmäßig erheblich über den tatsächlich vom Mieter einzusparenden Heizkosten liegt, kommt es aus Mietersicht zu nicht vertretbaren Mietsteigerungen.« Für alle Mieter soll die neue Bruttowarmmiete auf 30 Prozent des Nettohaushaltseinkommens begrenzt werden. Hierfür ist allerdings eine Offenlegung der Einkommensverhältnisse des Haushalts im Rahmen eines Sozialplanes nötig. Nur für Transferleistungsempfänger und Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins soll es eine dreijährige Mietpreisbindung geben. Der Vertrag gilt zunächst für ungefähr 400 Wohnungen, die bis 2015 modernisiert werden sollen. »Er kann Vorbild und Modell für ganz Berlin sein, was die Mieterberatung, die Transparenz und auch die Kulanz- und Härtefallregeln angeht«, betont Kirchner. Für viele sei wichtig, dass die Mieterberatung als Instanz zwischen Mieter und die Gesobau geschaltet wurde, »auch die Sozialplanregelung war eine Forderung des Bündnisses von Beginn an«, sagt Martin Engelmann vom Pankower Mieterprotest, vom Bündnis war niemand eingeladen worden.

Der Bezirk habe viel getan, sei aber an bestimmten Stellen machtlos, wenn sich die Gesobau auf bestimmte Eigentümervorgaben zurückzieht. Hier müsse der Senat aktiv werden: »Solange von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften für Bestandsmieter nach Modernisierung Nettokaltmieten weit jenseits der Mietspiegeloberkante aufgerufen werden, so lange kann von einer sozialen und mietspiegeldämpfenden Wohnungspolitik keine Rede sein«, so Engelmann.