Streit um ein Stück Plastikfolie

Prozess zu »Passivbewaffnung« in Dortmund eingestellt

  • Florian Osuch
  • Lesedauer: 2 Min.
Heute sollte der erste Prozess wegen Passivbewaffnung mit einer Projektorfolie starten. Das Verfahren wurde kurzfristig eingestellt.

Wenige Tage vor dem Prozess gegen eine Antifaschistin wegen Mitführens einer Plastikfolie zum Schutz vor Pfefferspray ist das Verfahren eingestellt worden. Die Studentin aus Düsseldorf war ursprünglich wegen »passiver Bewaffnung« angeklagt gewesen. Mareen H. hatte auf dem Weg zu einer Demo gegen Neonazis am 31. August vorigen Jahres in Dortmund eine Folie für Overheadprojektoren mit sich geführt. Daran hatte sie ein Gummiband befestigt. Das Ergebnis kann als Schutz vor polizeilicher Repression vor das Gesicht gespannt werden: Bei Protesten gegen rechte Aufmärsche ging die Polizei in der Vergangenheit zum Teil massiv mit Pfefferspray gegen Nazigegner vor.

Die Bastelei der jungen Frau interpretierte die Staatsanwaltschaft als »passive Bewaffnung«. Es folgte eine für Antifaschisten typische juristische Auseinandersetzung mit viel Schriftverkehr um Strafbefehl, Einspruch von Rechtsanwälten, Forderung nach Einstellung des Verfahrens. Heute sollte vor dem Amtsgericht in Dortmund verhandelt werden.

Antifaschistische Gruppen aus ganz Nordrhein-Westfalen solidarisierten sich mit der jungen Frau. Sebastian Förster vom Bündnis »Dortmund stellt sich quer« erklärte, Antifaschisten würden im Nachgang zu Blockadeaktionen gegen Nazis in der Stadt mit »einem ganzen Teppich von Repressionsmaßnahmen überzogen«. Auch Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der LINKEN und Abgeordnete für Dortmund, stellte sich vor die Angeklagte. »Antifaschisten, die jetzt wegen ihrer Teilnahme an Blockaden vor Gericht gezerrt werden, gehört meine volle Solidarität«, sagte sie gegenüber »nd«. Ein Sprecher der Roten Antifa Essen wies die »Kriminalisierungsversuche« zurück. Schutz »vor dem exzessiven polizeilichen Einsatz von Pfefferspray«, sei vollkommen legitim. Mischa Aschmoneit von der Gruppe »See Red/Interventionistische Linke Düsseldorf« stellte einen Zusammenhang mit anderen Protesten wie Blockupy Frankfurt oder Castor Schottern her.

Die Mobilisierung hat Wirkung gezeigt: Das Verfahren wurde nun ohne Auflagen eingestellt. Das Amtsgericht Dortmund sah das Verschulden als gering an: An der Strafverfolgung besteht dem Gericht zufolge daher kein öffentliches Interesse. Mareen H. zeigte sich erleichtert. Die Düsseldorferin hatte sogar eine Prozesserklärung vorbereitet, die dem »nd« vorliegt. Vor Prozess wollte sie sich dazu bekennen, die Folie »ausschließlich zum Schutz« für ihre Augen und Atemwegen mitgeführt zu haben. Als Promotionsstudentin für Geschichte an der Ruhr-Universität Bochum habe sich intensiv mit dem deutschen Faschismus beschäftigt. Daher sei es für sie wichtig, »den aufrechten Gang zu gehen und sich klar gegen rassistische Gruppen zu positionieren«.

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