Alarmstufe Braun

Die LINKE ist dabei, über Brandenburgs Braunkohle ihre eigenen Beschlüsse zu verraten, meint Anike Peters

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Die Bagger fräsen längst. Das Gefühl von Sicherheit schluckten die riesigen Schaufeln zuerst, bald folgt die Idee von Heimat. Braunkohletagebau beginnt im Kopf. Das versteht, wer mit den Menschen in Proschim spricht, einem Dorf, das der geplante neue Tagebau Welzow Süd II zerstören soll. Was dabei auch verloren geht, ist das Vertrauen in die Politik. Denn die Linkspartei in Brandenburg kümmert sich nicht um ihre eigenen Beschlüsse. Offiziell will sie »alle gesellschaftlichen Verhältnisse überwinden, in denen Menschen ausgebeutet, entrechtet und entmündigt werden und in denen ihre sozialen und natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden«. So jedenfalls hat es sich die Partei 2009 ins Vorwort ihres Programms geschrieben. Doch in Proschim und anderen Teilen Brandenburgs passiert genau das: Menschen sollen ausgebeutet, entrechtet und entmündigt werden – für neue Braunkohle, die in Deutschland schon bald niemand mehr braucht.

Politik besteht aus Kompromissen, heißt es. In Brandenburg aber verwechselt die Linkspartei Kompromiss mit Schizophrenie: Sie handelt konträr zu ihren eigenen Beschlüssen. »Dafür steht die LINKE« schrieb sie über ihr Programm. Im einzigen Bundesland, in dem sie heute mitregiert, steht sie vor allem für eines: Braunkohle. Noch bis zum Sommer soll Brandenburgs Kabinett über den Braunkohleplan Welzow-Süd II entscheiden. Hält sich der linke Wirtschaftsminister Ralf Christoffers an das, was seine Partei verspricht, müssten er und seine Ministerkollegen gegen Welzow-Süd II stimmen. Doch danach sieht es nicht aus.

Das liegt nicht an fehlender Erkenntnis. Auch die Linkspartei weiß, dass es keinen schmutzigeren Energieträger gibt als Braunkohle. »Wir wollen den Ausstieg aus der Kohlestromversorgung«, notierte die Bundespartei 2013 in ihrem Wahlprogramm. Der gescheiterte Emissionshandel habe das nicht hinbekommen, also müssten jetzt drastischere Maßnahmen her. »Wir wollen (…) ein Kohleausstiegsgesetz durchsetzen, das ein Verbot für den Neubau von Kohlekraftwerken und für den Neuaufschluss von Braunkohletagebauen vorsieht.« Eindeutiger kann man sich nicht gegen Kohle positionieren. Weshalb Christoffers zu einem semantischen Taschenspielertrick greifen muss. Man sei ja nur gegen neue Tagebaue. Welzow Süd II aber sei lediglich eine Erweiterung der bestehenden Kohlegrube südlich von Cottbus. Was nachweislich falsch ist. Schließlich existiert für das neue Abbaugebiet bislang weder ein gültiger Braunkohleplan noch eine bergrechtliche Genehmigung.

Ähnlich wackelig ist der taktische Hintergrund. Christoffers will sich gut stellen mit Vattenfall, einem der wenigen großen Arbeitgeber der strukturschwachen Region und potenziellem Nutznießer neuer Tagebaue. Dabei sind die Schweden in Deutschland längst auf dem Rückzug. Bis Ende des Jahres werden 1500 Stellen gestrichen. Sehr gut möglich, dass der Stellenabbau danach weitergeht.
Ein vorausschauender Wirtschaftsminister müsste jetzt Entscheidungen treffen, um Brandenburg für die Zukunft zu wappnen. Die Braunkohle der genehmigten Tagebaue reicht noch bis in die 2040er Jahre. Bis dahin aber werden die Erneuerbaren einen so großen Anteil am deutschen Energiemix haben, dass weitere Braunkohle nicht gebraucht wird.

Die Menschen in Proschim haben das längst verstanden. Sie erzeugen inzwischen mehr sauberen, erneuerbaren Strom, als sie selbst verbrauchen. Es klingt wie der zynische Treppenwitz in einer Tragödie: Ausgerechnet ein Vorreiterdorf der Energiewende soll für schmutzige und überflüssige Braunkohle abgebaggert werden – mit der Zustimmung einer Partei, die offiziell dagegen ist.
Die LINKE muss sich endlich entscheiden: Will sie eine fortschrittliche Partei sein, die eine in die Zukunft gerichtete Energiepolitik verfolgt? Oder will sie sich aus kurzfristigem Kalkül an die sterbende und schmutzige Braunkohle ketten und damit ihre eigenen Überzeugungen verraten? Die Antwort wird die anstehende Entscheidung zu Welzow-Süd II geben.

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