Renzi arbeitet sich vor

Letta als Ministerpräsident Italiens zurückgetreten / PD-Chef wartet auf Mandat zur Regierungsbildung

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.
Ministerpräsident Enrico Letta ist zurückgetreten. Er macht so den Weg für eine Regierung unter seinem Parteifreund Matteo Renzi frei. Zuvor entzogen die Demokraten Letta das Vertrauen.

Brudermord, Palastrevolution, Grausamkeit: Das sind die Begriffe, mit denen ein Großteil der italienischen Presse die Ereignisse der letzten Tage kommentiert. Knapp zwei Monate, nachdem Matteo Renzi mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden der Partito Democratico (PD) gewählt wurde, hat er seinen Parteifreund Enrico Letta nach zehnmonatiger Amtszeit zum Rücktritt gezwungen. Letta, so die Parteispitze, genieße nicht mehr das Vertrauen der Demokraten und sei unfähig, die Linie des Sekretärs Matteo Renzi umzusetzen. »Wir müssen aus dem augenblicklichen Sumpf herauskommen«, erklärte Renzi. »Man wirft mir vor, dass ich übermäßig ehrgeizig bin«, sagte er weiter. »Das ist wahr! Aber ich will unbedingt ein besseres Italien erschaffen.«

Mit wem der 39-Jährige, der auch Bürgermeister von Florenz ist, dieses Mammutwerk vollbringen will, ist noch nicht ganz klar. Er wende sich an die Parteien, die auch schon die Regierung von Enrico Letta unterstützt haben, so Renzi. Das sind die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Mario Monti, Scelta Civica (Zivile Entscheidung), und die Neue Rechte Mitte von Angelino Alfano, der unter Letta stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister war. Monti erklärte seine Bereitschaft für eine weitere Zusammenarbeit. Alfano knüpfte dagegen eine Reihe von Bedingungen an die Neuauflage der ehemals Großen Koalition, die nach der Spaltung der Partei des ehemaligen Premiers Silvio Berlusconi, Volk der Freiheit, aber nur noch über eine kleine Mehrheit im Parlament verfügt. Es dürfe sich auf keinen Fall, erklärte Alfano, um eine politisch links ausgerichtete Regierung handeln; es ginge vielmehr darum, Italien aus der Krise zu führen.

Die linke Partei SEL (Linke, Ökologie und Freiheit) ließ durch ihren Vorsitzenden Nichi Vendola verlauten, man sehe keine Möglichkeit einer Zusammenarbeit, während die rechtspopulistische Lega Nord punktuelle Übereinstimmungen für möglich hält. Die alte und neue Berlusconi-Partei Forza Italia, die bei den Sondierungsgesprächen bei Staatspräsident Giorgio Napolitano wieder einmal vom rechtskräftig verurteilten Berlusconi vertreten sein wird (seine Strafe wegen Steuerbetrug muss er erst im April antreten), ließ sich alle Türen offen. Nachdem Renzi und Berlusconi im letzten Monat gemeinsam die Vorlage für ein neues Wahlgesetz ausgehandelt hatten, das demnächst im Parlament diskutiert werden soll, kann man eine Zusammenarbeit nicht ausschließen.

Es bleibt die Bewegung der Fünf Sterne (M5S) von Beppe Grillo. Obwohl sie bisher einen harten Oppositionskurs gegen die Regierung Letta gesteuert hatte, hält sie seinen jetzigen Rücktritt doch für absurd. Noch einmal, so die Vertreter der Partei, die ein Viertel der Italiener vertritt, werde an den Bürgern des Landes vorbeiregiert. Das Parlament dürfe nur Entscheidungen abnicken, die einige Wenige hinter verschlossenen Türen gefällt haben. Grillo blieb seiner Rhetorik treu und bezeichnete Renzi als »karrieregeil und skrupellos«.

Noch für den Freitagabend wurde erwartet, dass Präsident Napolitano Konsultationen mit den Parteien aufnimmt. Denkbar ist, dass der Staatschef dann noch an diesem Wochenende den Favoriten Renzi damit beauftragt, sich eine Regierungsmehrheit zu suchen. Bis Mitte der nächsten Woche könnte eine Ministerliste vorliegen.

Renzi will ohne vorgezogene Parlamentswahlen bis 2018 im Amt bleiben und zum großen Reformator Italiens werden. Dafür braucht er einen starken Rückhalt im Parlament, in der italienischen Gesellschaft und vor allem in seiner eigenen Partei. Aber gerade die scheint nach dem erzwungenen Rücktritt von Enrico Letta so zerstritten wie nie zuvor.

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