nd-aktuell.de / 15.02.2014 / Brandenburg / Seite 13

Zapfhahn abgedreht

Nazi-Kneipe »Zum Henker« muss geräumt werden / Pläne für multikulturellen Treffpunkt

Marina Mai
Der berlinweit bekannten Nazikneipe »Zum Henker« in Schöneweide hat gestern das Berliner Landgericht den Zapfhahn abgedreht. Es gab einer Kündigung des Vermieters zum heutigen Samstag statt.

Sofern der Wirt nicht gegen das Urteil des Landgerichts Berlin klagt, muss dieser am Sonntag seine in Neonazikreisen beliebte Kneipe »Zum Henker« im Berliner Stadtteil Schöneweide räumen, reinigen und an den Vermieter übergeben. Unabhängig davon, ob der Wirt Berufung einlegt, kann der Vermieter die Kneipe durch einen Gerichtsvollzieher räumen lassen. Das wird aber dauern, wie aus Gerichtskreisen zu erfahren war. Sollte einer möglichen Berufung im Nachhinein stattgegeben werden, trägt der Vermieter allerdings ein Kostenrisiko. Umgekehrt ginge der Henker mit einer Berufung ein hohes finanzielles Risiko ein, falls der nicht stattgegeben wird.

Im vergangenen Jahr hatte die in Erlangen ansässige Vermietungsgesellschaft jahrelangen Protesten durch viele Berliner nachgegeben und ihrem unliebsamen Mieter gekündigt. Die Kündigung erfolgte sowohl außerordentlich als auch ordentlich. Die außerordentliche Kündigung, die mit den rechtsextremen Umtrieben in der Kneipe und den Gefahren für das Wohnumfeld begründet wurde, wies das Gericht ab. Dass es die ordentliche Kündigung annahm, ist einem Formfehler zu verdanken, den die Betreiber des Henkers begangen haben: Der Mietvertrag war auf fünf Jahre befristet, die am heutigen Samstag enden. Er hätte sich aber automatisch um weitere fünf Jahre verlängert, wenn die Mieter das ordnungsgemäß beantragt hätten. Das entsprechende Schriftstück des Henkers enthielt aber, wie in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde, nicht alle nötigen Unterschriften.

Die Kneipe zum Henker in Schöneweide gilt als wichtigster Vernetzungspunkt der rechten Szene für ganz Berlin und darüber hinaus. Hier hatte letzten Herbst der NPD-Politiker Udo Voigt seine Kandidatur für das Europaparlament erklärt. Gäste dieses Lokals hatten in der Umgebung zahlreiche Straftaten begangen. Oft unter Einfluss von Alkohol hatten sie anders aussehende Menschen oder vermeintliche Feinde gejagt, bedroht, geschlagen und Sachbeschädigungen verübt.

Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) zeigte sich erleichtert über den Richterspruch. »Das ist ein Gewinn für die Demokratie in Berlin im Kampf gegen rechtsextremistische Strukturen. Der Fall zeigt, dass auch die Immobilienbranche hier gefragt ist - sie muss Verantwortung zeigen.« Kolat bedankte sich bei den Anwohnerinnen und Anwohnern in Schöneweide, »die sich immer wieder für die Schließung eingesetzt haben.«

Treptow-Köpenicks Bürgermeister Oliver Igel (SPD) sagt: »Ich hoffe, dass das Urteil das endgültige Ergebnis in der Sache bleibt. Damit würde ein Symbolort der Nazis verschwinden.« Hans Erxleben vom örtlichen Bündnis für Demokratie und Toleranz freut sich. »Fünf Jahre Protest waren nicht umsonst. Dieses öffentliche Ärgernis, betrieben von einem vorbestraften Rechtsextremisten, hat nun ein Ende.« Er verweist darauf, dass immer wieder Bezirksamt, Zivilgesellschaft und die Antifa durch den Ortsteil gezogen waren, um die Schließung zu fordern. Der letzte Gast im Henker wird, wenn die Betreiber nun nicht freiwillig das Feld räumen, der Gerichtsvollzieher sein.

Nach den Worten der grünen Rechtsextremismusexpertin Clara Herrmann zeigt das Urteil, wie wichtig es ist, dass sich Vermieter mit Klauseln im Mietvertrag vor rechtsextremen Mietern schützen. »Nur so kann man verhindern, dass sich rechte Infrastruktur in Berlin breitmacht.« Herrmann äußerte sich jedoch auch skeptisch. »Erfahrungsgemäß werden die Rechten auf andere Räume ausweichen. Das müssen wir im Auge behalten.« In Treptow-Köpenick wird bereits über eine Nachnutzung der bald freien Immobilie diskutiert. Vorschläge sind eine Schwulen- und Lesbenkneipe und ein multikultureller Treff.

Bisher machte der Henker keine Anstalten zum Räumen. Für Freitag laden sie zum Valentinstag. Dem Vernehmen nach wollen die Rechten die Entscheidung nach der schriftlichen Urteilsbegründung treffen.