nd-aktuell.de / 15.02.2014 / Politik / Seite 1

Seehofer stellt der SPD ein Ultimatum

Fall Edathy: Sozialdemokraten sollen ihr Verhalten am Wochenende erklären / Ton in der Großen Koalition wird rauher / Linken-Vorsitzende spricht von Anstiftung zum Geheimnisverrat

Berlin. In der Affäre um den ehemaligen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy wird der Ton in der großen Koalition rauher. Nach dem Rücktritt von Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verlangt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl eine eidesstattliche Erklärung der beteiligten SPD-Politiker zu der Frage, mit wem sie über den Fall Edathy gesprochen haben. »Es kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein SPD-Abgeordneter mutmaßlich kinderpornografische Schriften kauft und die einzige Konsequenz darin besteht, dass ein CSU-Minister zurücktritt«, sagte Uhl dem Nachrichtenmagazin »Focus«.

Auch CDU-Vize Armin Laschet forderte eidesstattliche Erklärungen von den beteiligten Sozialdemokraten. »Eidesstattlich müssen alle SPD-Politiker, die eingeweiht waren, dass ihr damaliger Kollege Bilder nackter Jungen bestellte, erklären, dass sie den Verdächtigen nicht vorgewarnt haben«, forderte Laschet in der »Welt am Sonntag«. Es müsse ernsthaft aufgeklärt werden, wer außer der SPD-Führungsriege - Fraktionschef Thomas Oppermann, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Parteichef Sigmar Gabriel und Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht - noch Bescheid gewusst habe.

CSU-Chef Horst Seehofer stellte den Sozialdemokraten auf einem Parteitag im Bamberg derweil laut eiem bericht von Spiegel online ein Ultimatum: »Ich fordere die SPD auf, an diesem Wochenende ihr Verhalten, ihre Widersprüche aufzuklären«, sagte Seehofer. Schon zuvor hatte Seehofer Aufklärung vom Koalitionspartner SPD gefordert, insbesondere von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. »Jetzt stellen sich viele Fragen an die SPD zu den Widersprüchlichkeiten ihres Tuns«, sagte Parteichef Horst Seehofer der »Rheinischen Post«. Er will nun auch die Zusammenarbeit in der Koalition zur Sprache bringen: »Darüber wird zwischen den drei Parteivorsitzenden zu reden sein.«

Noch als Bundesinnenminister hatte Friedrich den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel im Oktober darüber informiert, dass der Name Edathy bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Diesen Vorgang hatte Oppermann am Donnerstag öffentlich gemacht, am Freitag trat Friedrich zurück. Im Zentrum der Debatte steht die Frage, wer Edathy gewarnt haben könnte.

Derweil hat Linken-Vorsitzende Katja Kipping dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann wegen seines Verhaltens im Zuge der Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy den Rücktritt nahe gelegt[1]. »Ich hinterfrage vor allem die Rolle von Thomas Oppermann«, sagte Kipping dem »Kölner Stadt-Anzeiger«.

Es stelle sich die Frage, wie ein ehemaliger Parlamentarischer Geschäftsführer dazu komme, »beim Chef des BKA anzurufen und ihn zum Geheimnisverrat anzustiften? Das ist eine politische Haltung, die mit der Ausfüllung eines Spitzenamtes nicht vereinbar ist«, so Kipping. Mit Blick auf Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich, der am Freitag wegen seiner Rolle im Fall Edathy die Konsequenzen gezogen hatte, sagte die Linkenpolitikerin: »Das war wohl nicht der letzte Rücktritt.«

Nach Informationen von Spiegel online haben sich derweil führende Linken-Politiker darauf verständigt, eine Aktuelle Stunde im Parlament zu beantragen. »Wir wollen eine Aktuelle Debatte im Bundestag zum Zustand der Bundesregierung nach der Edathy-Affäre«, sagte Fraktionsvize Klaus Ernst. Ein entsprechender Antrag soll am Montag offiziell beschlossen werden. Beantragt eine Fraktion im Bundestag eine Aktuelle Stunde, muss diese stattfinden - wohl dann in der kommenden Woche.

Allerdings schloss SPD-Chef Sigmar Gabriel personelle Konsequenzen in seiner Partei aus. Auf eine entsprechende Frage der »Bild«-Zeitung sagte Gabriel: »Natürlich, denn ich bin absolut sicher, dass weder ich noch Herr Steinmeier oder Herr Oppermann irgendwelche Informationen an Edathy weitergegeben haben.«

Während Gabriel die Arbeit der Großen Koalition derzeit nicht nachhaltig als belastet ansieht, kam die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft auf eine skeptischere Beurteilung. »Wir haben eine Reihe von politischen Maßnahmen auf den Weg gebracht, die das Land auch braucht. Und ich bin sicher, dass wir sehr schnell auch wieder zu diesem Arbeitsklima zurückfinden«, sagte Gabriel in der ARD. Das Vertrauensverhältnis zur Kanzlerin sei durch den Vorfall nicht beschädigt worden. Kraft erklärte hingegen, »dass ein Minister nach so kurzer Zeit zurücktritt, ist eine schwierige Situation«.

Oppermann hatte in der Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy erklärt, Friedrich habe im Oktober noch als Bundesinnenminister den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel informiert. Daraufhin war Friedrich nach Bekanntwerden des Falls vorgeworfen worden, Dienstgeheimnisse weitergegeben zu haben. Am Freitag war der CSU-Politiker zurückgetreten. Oppermann betonte, er habe seine Erklärung vorab mit Friedrich abgestimmt. »Minister Friedrich war mit der Erklärung an sich und mit deren Inhalt ausdrücklich einverstanden«, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende der »Süddeutschen Zeitung«.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ die Nachfolge Friedrichs in dem der Schwesterpartei CSU vorbehaltenen Agrarressort offen. Die Frage dürfte beim kleinen Parteitag der CSU am Samstag in Bamberg zur Sprache kommen. Als mögliche Nachfolgerinnen im Agrarressort galten am Freitagabend unter anderem Verkehrsstaatssekretärin Dorothee Bär (CSU) und die Bundesdrogenbeauftragte und Agrarexpertin Marlene Mortler.

Friedrich selbst äußerte sich inzwischen versöhnlich zur Rolle Gabriels in der Affäre. Er hege keinen Groll gegen den SPD-Chef. »Ich glaube, dass es Gabriel sehr leid tut, wie es mir ergangen ist«, sagte Friedrich dem »Focus«. »Gabriel weiß, dass ich dazu beitragen wollte, das Zustandekommen der neuen Koalition nicht zu erschweren. Er weiß auch, dass ich nie Recht brechen wollte.« Agenturen/nd

Links:

  1. http://www.presseportal.de/pm/66749/2665314/koelner-stadt-anzeiger-linken-chefin-kipping-legt-thomas-oppermann-ruecktritt-nahe