Schulangebot nur für Rechtgläubige

Staatliche Konfessionsschulen in NRW leiden unter systembedingtem Rektorenmangel

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
An katholischen und evangelischen Schulen Nordrhein-Westfalens fehlen überproportional oft Rektoren. Die Herren Kleriker tun sich bei der Rekrutierung ihrer pädagogischen Führungskräfte besonders schwer.

Rektoren sind auch für Nordrhein-Westfalens Schulen nicht leicht zu finden. Viel Mehrarbeit, das meiste davon Verwaltungskram, sowie Gehälter und Prestige, die nur zögerlich ansteigen: Eine attraktive Aufgabe schaut anders aus.

Doch an Rhein, Ruhr und Lippe kommt mitunter ein weiteres Problem bei der Rekrutierung pädagogischer Führungskräfte hinzu: Hier (und ansonsten nur noch in Niedersachsen) gibt es staatliche Bekenntnisschulen, knapp 950 an der Zahl, die weitaus meisten davon katholisch. Dort bestimmen katholische oder evangelische Kirche, wo es pädagogisch und weltanschaulich im Grundsatz lang geht. Die beiden großen Staatskirchenapparate sind es auch, die sich der mit dem pädagogischen Angebot verbundenen Image-Aufbesserung erfreuen - während der Steuerzahler die Kosten übernimmt.

Die klerikalen Schulbetreiber sind zu allem Überfluss auch noch besonders wählerisch, was potenzielle Rektoren betrifft, weswegen mehr als jeder achte der prä-laizistischen Zwitter derzeit ohne Schulleiter dasteht. Die zusätzliche Hürde: Der Rektor oder die Rektorin müssen nicht nur qualifiziert und willig, sondern zudem rechten Glaubens sein. Vakant bleiben Rektorenposten selbst dann, wenn es einen oder mehrere Bewerber gibt und alle Kriterien erfüllt werden mit Ausnahme dieses einen, allerdings entscheidenden Glaubenskriteriums.

Ein Protestant oder Buddhist an einer katholischen oder ein bekennender Agnostiker an einer protestantischen Schule? Das geht gar nicht - auch wenn der Führungsmangel anlässlich einer Rektorenkonferenz am Wochenende in Düsseldorf soeben wieder einmal die Schlagzeilen bestimmt. Wo doch mitunter selbst un- oder andersgläubige, vulgo: »bekenntnisfremde« Schüler abgelehnt werden. Zum Beispiel, wenn die Eltern muslimischer Kinder die Teilnahme ihres Nachwuchses am katholischen respektive evangelischen Religionsunterricht und Schulgottesdienst ablehnen - »verweigern«, wie es dann gern heißt.

So zuletzt 2013 geschehen an einer Paderborner Grundschule mit ausdrücklichem Segen des Oberverwaltungsgerichts Münster und unter Berufung auf das Schulgesetz des Landes. Abgelehnt hatte den Aufnahmewunsch natürlich der Bekenntnisschulleiter - wahrscheinlich müssen er und seinesgleichen allein schon ideologiefest sein, um solche Ermessensspielräume richtig auszunutzen. Andererseits bleibe, so entschieden die Münsteraner Richter seinerzeit, eine Bekenntnisschule auch dann eine solche, wenn die »Rechtgläubigen« weniger als die Hälfte der unterrichteten Jungen und Mädchen ausmachen.

Das kann schnell passieren, geht es doch Eltern oft darum, dass ihr Nachwuchs sich mit Mitschülern eher bürgerlichen Backgrounds umgibt. Staatliche Bekenntnisschulen besitzen schließlich nebenher das Privileg, Kinder aus niedrigen sozialen Milieus, wo oft ein passend-unpassender Glaube herrscht, ablehnen zu dürfen.

Bekenntnisschulen wurden 1935 dank Reichskonkordat zwischen Hitler und Papst etabliert. Seit 1946 genießen sie in NRW Verfassungsrang, überstanden Jahrzehnte währende Schulkriege um die Struktur des Bildungssystems und einen auf Dauer angelegten Schulkompromiss, den SPD und Grüne vor zwei Jahren mit der CDU schlossen. »Ehrfurcht vor Gott« gilt in dem über viele Jahrzehnte sozialdemokratisch regierten Bundesland als »vornehmstes Ziel der Erziehung«. Notfalls auch auf Jahre hin ohne reguläre Schulleitung.

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