nd-aktuell.de / 24.02.2014 / Politik / Seite 6

Zoff bei der LINKEN im Ruhrpott

Heftiger Richtungsstreit vor NRW-Kommunalwahl im Mai

Marcus Meier, Duisburg

Die Stimmung im Auditorium der Globus-Gesamtschule in Duisburgs Dellviertel ist aggressiv, auch wenn der eigens aus einer Nachbarstadt eingeflogene Versammlungsleiter tapfer behauptet, alles bewege sich »noch im Rahmen«. Zwei Jahre lang hatte die Duisburger LINKE unter ihrem langjährigen Fraktionschef Hermann Dierkes in einer rot-grün-roten »Ratskooperation« in Duisburg mitregiert. Hatte die Pläne für ein umstrittenes Einkaufszentrum mitgetragen, gegen das die Parteibasis Sturm lief. Hatte ihr Vorschlagsrecht genutzt, um einen Sozialdemokraten männlichen Geschlechts statt einer »kompetenten linken Frau« zum Planungsdezernenten zu küren. Und habe, so der dritte Hauptvorwurf der Kritiker, Kürzungen und Privatisierungen mitgetragen.

Nun sollen die Kandidaten für die künftige Ratsfraktion gekürt werden. Genossen beider Lager schreien sich in der Debatte an, unterbrechen lautstark die Reden ihrer Kontrahenten. Die Fraktion habe linke Positionen verraten und sich bei der (in Duisburg besonders unfortschrittlichen) SPD angebiedert, rufen die Kritiker. Die Kooperation sei doch von der Basis beschlossen und einiges erreicht worden, kontern die so Gescholtenen. Kandidaten beider Lager überschlagen sich bei dem Versuch, einander verbal-links zu überholen. Der Saal platzt aus allen Nähten, immer mehr Stühle müssen herbeigeschleppt werden.

Ein Vierteljahr vor der NRW-Kommunalwahl eskaliert auch in anderen Ruhrstädten der Konflikt zwischen eher koalitionswilligen Pragmatikern in den Ratsfraktionen und ihren parteilinken Gegnern. In Bochum verabschiedete die Parteibasis Anfang Februar ein Wahlprogramm, das vor »unrealistischen Forderungen« strotze, wie es in einer öffentlichen Stellungnahme der bisherigen Ratsfraktion heißt. Daraufhin erklärten sämtliche sechs Ratsleute, nicht wieder kandidieren zu wollen. Die am kommenden Wochenende gewählte Kandidatenliste wird wohl vom Lager um die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen dominiert werden.

Nebenan in Essen war die Linksfraktion bisher durchwachsen, zwei Lager um den ex-grünen Fraktionschef Hans-Peter Leymann-Kurtz respektive den pragmatischen Ratsherren Wolfgang Freye rieben sich »in Konflikten auf« (O-Ton Fraktionsgeschäftsführer Jörg Bütefür). Doch bei der Listen-Aufstellung Mitte Januar wurden ausschließlich Leymann-Kurtz-Leute aufgestellt. »Die Zeit der Abrechnung«, titelte die Lokalpresse.

»Was hier im Ruhrgebiet gerade passiert, ist eine Vendetta!«, so ein Insider. Die einschlägigen Ratsfraktionen, geprägt, teils dominiert von Genossen aus PDS-Zeiten, hätten die von ihnen als »Lafontaine-Leute« erachteten WASG-Neuankömmlinge im Fusionsprozess ausgegrenzt. Letztere würden sich nun rächen wollen. Die LINKE-»Realos« in NRW entstammen oft maoistischen und trotzkistischen Kleinstparteien.

In Bochum und Essen gelang, in Duisburg indes scheitert die »Vendetta«. Mancher bezweifelt, dass dabei alles mit rechten Dingen zu geht. Im Vorfeld der Duisburger Mitgliederversammlung waren erstaunlich viele Neueintritte zu verzeichnen. In der Schulaula stimmen viele unbekannte Gesichter mit ab. Auf den Tischen liegen Listen mit den »Vorschlägen« des Dierkes-Lagers. Und für die »Vorschläge« gibt es stets eine deutliche Mehrheit, während die Mehrheitsverhältnisse bei den Kreis-Vorstands-Wahlen Ende letzten Jahres noch umgekehrt waren. Dierkes selbst, seit 15 Jahren im Rat, kandidiert nicht erneut.