nd-aktuell.de / 01.03.2014 / Wissen / Seite 27

Maritime Papierparks

Studie: Meeresreservate haben ohne umfassende Durchsetzung der Schutzmaßnahmen vor Ort keine Wirkung

Michael Lenz

Indonesien will das weltgrößte Meeresschutzgebiet für Manta-Rochen einrichten. Die bringen nämlich inzwischen Millionen-Einnahmen durch den Tauchtourismus. Doch eine Polizeiaktion in Indonesien zeigte kürzlich, wie begrenzt die Wirkung von Schutzgebieten ohne zureichende Überwachung ist. Den Polizisten waren Korallenhändler ins Netz gegangen, die seit Jahren in großem Stil Korallen von den Riffen der Javasee vor der Küste von Ostjava verkauft haben. Bei der Festnahme der auf frischer Tat ertappten Männer beschlagnahmte die Polizei über eintausend Korallenstücke.

Die erfolgreiche Polizeiaktion in Malang ist nur ein Tröpfchen im Ozean, wenn es um den Schutz von maritimen Naturreservaten geht. Im Pazifischen und Indischen Ozean stehen inzwischen mehr als 1,6 Millionen Quadratkilometer unter Schutz. Was nach viel klingt, ist in Wirklichkeit ziemlich bescheiden: Weltweit sind weniger als zwei Prozent der Ozeanfläche als Schutzgebiet ausgewiesen.

Von diesen zwei Prozent sind laut einer im Januar im Fachmagazin »Nature« veröffentlichten Studie eines Wissenschaftlerteams um Graham J. Edgar vom Institute for Marine und Arctic Studies der Universität von Tasmanien viele nur »Papierparks«. Die Reservate lassen sich auf Karten finden, sind in behördlichen und wissenschaftlichen Dokumenten fein beschrieben, aber niemand kümmert sich um die Durchsetzung der Schutzbestimmungen. Korallendiebe, Dynamitfischer, Fischfangflotten mit Schleppnetzen oder Verklapper von allerlei Müll können in den Marine Protected Areas (MPA) ziemlich ungehindert ihrem Treiben frönen. Hinzu kommt laut den Wissenschaftlern, dass fast die Hälfte der MPAs entweder kleiner als ein Fußballplatz oder erst vor kurzem eingerichtet worden sind. Das aber mindert ihre Wirkung für den Artenschutz.

Laut Edgar und Kollegen entscheiden fünf Faktoren über die Quantität und Vielfalt der »Biomasse« - also Lebendiges von Korallen über Fische bis zu Plankton und Seegras - in den Schutzgebieten: Sind Zonen vollständig oder nur teilweise geschützt? Wird der Schutz durchgesetzt? Wie alt und wie groß ist das Reservat? Und wie abgelegen? Letzterer Faktor ist laut den Experten der wichtigste. Sind weniger als drei Faktoren gegeben, bieten die Reservate praktisch kaum Schutz. Laut Edgar weisen nur 4,6 Prozent aller MPAs alle fünf Faktoren auf und weitere 5,7 Prozent immerhin noch vier. Die Gründe für die unzureichende Durchsetzung von Schutzmaßnahmen reichen von unzulänglichen finanziellen, technischen und menschlichen Ressourcen über fehlenden politischen Willen bis hin zur endemischen Korruption in vielen Ländern.

Die Wissenschaft der Meeresschutzgebiete steckt noch in den Anfängen. Die Frage lautet: Was kann, muss aus Sicht von Biologen und Meeresexperten getan werden, um den Schutzeffekt zu verbessern? Braucht man größere, zusammenhängende Areale? Würde die Schaffung von Verbindungskorridoren helfen? Obwohl die Studie von Edgar schon ein wenig Licht ins Dunkel der Meere bringt, besteht weiter großer Forschungsbedarf.

Im Fall der Korallendiebe von Ostjava weist die indonesische Organisationen Sahabat Alam, die sich dem Schutz von Korallen, Mangroven und Schildkröten verschrieben hat, auf ein weiteres Manko hin: fehlendes Wissen über und Verständnis von Schutzgebieten bei den Einheimischen. Vielleicht hilft wenigstens den Mantas der vorgerechnete Profit aus dem Tauchtourismus.