Holzhütten auf dem O-Platz

Die asylsuchenden Flüchtlinge im Protestcamp errichten provisorische Unterkünfte

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Besetzer des Oranienplatzes in Kreuzberg rechnen damit, dass Ende März wieder rund 200 Menschen dort leben werden.

Mega befestigt noch ein paar Nägel an seiner Holzhütte. Derweil schleppt ein großer schlanker Afrikaner aus dem Tschad eine Tür an, die er auf dem Sperrmüll gefunden hat. Die will er in sein Bauwerk aus Holzpaletten, Leiterteilen und Resten eines Zeltes montieren. Immer mehr Flüchtlinge bauen sich auf dem Kreuzberger Oranienplatz Holzhütten, 25 stehen bisher. Nach eineinhalb Jahren Platzbesetzung sind viele Zelte verschlissen, erklärt der Nigerianer Ahmet, der auf dem Oranienplatz als eine Art Sprecher der Bewohner agiert. »Und in einer Holzhütte ist es wärmer als im Zelt und es kann nicht so leicht zerstört werden.«

Erst in der Nacht zum Dienstag wurde nach Angaben von Ahmet einem Algerier das Zelt über dem Kopf angezündet. Eine angekohlte Matratze liegt dort, Bettfedern und Reste von Kochgeschirr. Der Algerier habe sich in ärztliche Behandlung begeben, erzählt Ahmet. Für die Männer steht fest: Es war Brandstiftung. Auch den Verursacher wollen sie kennen. Sie sprechen von einem »weißen Mann, der öfter mal hier rumläuft«. Die Polizei spricht hingegen von verbranntem Müll und Hausrat, nicht von einem abgebrannten Zelt. Auch ein Verletzter hätte sich nicht bei den Beamten gemeldet. »Ob es Brandstiftung war, wird noch ermittelt«, sagt Polizeisprecher Michael Merkle.

72 Flüchtlinge wohnen derzeit auf dem Oranienplatz, der nach dem Willen von Land und Bezirk eigentlich im Herbst geräumt werden sollte. Ahmet rechnet damit, dass es Ende März mehr als 200 sein werden. Dann nämlich läuft die Frist ab, während der gut 100 Männer und Frauen im Rahmen der Kältehilfe in einem Caritasheim und im Flüchtlingsheim Marienfelde Unterschlupf gefunden haben. Dann stehen sie wieder auf der Straße, oder vielleicht auch: auf dem Oranienplatz. Denn die Afrikaner sind mehrheitlich über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa nach Europa gekommen, haben in Italien Asyl bekommen, wurden dort obdachlos ausgesetzt und haben damit kein Recht auf ein Asylverfahren, Arbeit und Sozialleistungen in Deutschland. »Es sind vor allem diejenigen aus dem Caritasheim, die jetzt Holzhütten bauen«, erläutert Ahmet. »Damit wollen sie sich ihren Platz zum Wohnen ab April sichern.«

Die CDU tobt wegen der Hütten. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte am Freitag den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufgefordert, gegen die »Befestigungen« vorzugehen. Er sieht das Bezirksamt in der Pflicht, die »rechtswidrige Nutzung« des Platzes zu beenden. Die CDU-Fraktion hat das Thema Holzhütten für die nächste Innenausschusssitzung angemeldet. Die Flüchtlinge halten dagegen. »Henkel Stop! Flüchtlinge bleiben«, steht auf einem Plakat, das mehrere Oranienplatzbewohner an die Pinnwand des Infozeltes kleben.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erklärt sich für nicht zuständig, weil ja Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) mit den Flüchtlingen verhandle. Kolats Sprecher Mathias Gille bestätigt lediglich, dass es diese Woche eine weitere Verhandlungsrunde gebe. Zu Inhalten äußert er sich allerdings genausowenig wie die Flüchtlinge. Beide Seiten haben Stillschweigen vereinbart. Unterdessen hält die grüne Abgeordnete Canan Bayram die Gefahr von rechten Angriffen auf die Bewohner des Oranienplatzes für realistisch. Das abgebrannte Zelt müsse ebenso ermittelt werden wie der vor zwei Wochen abgebrannte Toilettenwagen und ein zeitgleicher Buttersäureanschlag auf das Infozelt, fordert sie. »Auf den Internetseiten der rechten Bürgerbewegung Hellersdorf gibt es zudem regelmäßig Fotos vom Oranienplatz und entsprechende Kommentare«, so Bayram. Flüchtlingsunterstützer Dirk Stegemann hat wegen der Kommentare Anzeige gestellt. »Ich habe Polizisten auch darauf angesprochen, dass eine Kamera am Oranienplatz hängt und deren Aufnahmen auf der Seite der Rechten zu sehen sind.«

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