nd-aktuell.de / 08.03.2014 / Wissen / Seite 24

Frauen und das neoliberale Paradoxon

Lena Tietgen über den Internationalen Frauentag und Bildungsarmut

Noch immer würden weltweit Mädchen benachteiligt, sagte dieser Tage UN-Generalsekretär Ban Ki-moon anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März. Ein Zusammenhang zwischen Bildung und Internationalem Frauentag existiert und ist auf den ersten Blick offensichtlich. Schon kleine Kinder werden in ihre jeweilige Rolle hinein erzogen und Intersexuellen ein Geschlecht zugesprochen. Das Spiel mit diesen Rollen inbegriffen. Die heterosexuelle Norm hat in allen Entwicklungsstufen des Kindes und Jugendlichen nach wie vor von allen Seiten Priorität, ist also Bildungsziel.

Doch hinter dieser Kulisse wird ein anderes Drama offenbar. Die neoliberale Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte hat emanzipatorische Prozesse vorangetrieben und dabei soziale Bindungen aufgelöst. So studieren heute mehr Frauen als früher, gibt es mehr Professorinnen, und Mädchen sind besser gebildet als noch vor 30 Jahren.

Der androgyne Typ dient vielen - vor allem Jüngeren - als Vorbild, hat so der Gesellschaft feminine Züge verliehen. Doch nach wie vor sind es Frauen, die für das Gelingen neoliberaler Kultur sorgen und dabei deren Kehrseite gleich mit schultern. Im hohen Tempo jagen sie durch den Tag. Als Alleinerziehende, in der Doppelrolle von Familie und Arbeit, als prekär Beschäftigte oder Hartz-IV-Empfängerin. In allem stellen sie sich den Fragen der Kinder, sorgen für deren Bildung, rennen von Lehrergespräch zum Englischkurs und zurück. Ein Paradox, auf das Kinder mit Nervosität reagieren, vor allem in den Schulen.

Frauen müssen alles schultern, denn die alltägliche Erziehungshoheit wird noch gar nicht so sehr geteilt. Genauso wenig wie es genügend Angebote frühkindlicher Erziehung oder Ganztagsschulen gibt. Solange aber Frauen »alles müssen« wollen, verstärken sie nur die Bindungsarmut dieser Gesellschaft.