nd-aktuell.de / 08.03.2014 / Kommentare / Seite 21

Cool bleiben

Karlen Vesper über Moderatoren, Minister und Kriegsgeschrei

Karlen Vesper

Putin könnte eigentlich von den Obama Alaska zurückfordern. Hatte dieses große rohstoffreiche Land doch dereinst ein selbstherrlicher Zar für einen »Appel und ein Ei« verschenkt. Und Deutschland könnte Anspruch auf das sonnige Sansibar erheben. Sollen die Briten doch Helgoland zurücknehmen. Was hatte sich unser Kaiser eigentlich bei diesem billigem Deal gedacht?

Leider ist es alles nicht so einfach mit der Weltgeschichte. Und in der großen Politik schon gar nicht. Das ist die Krux, die sich dieser Tage wieder mal besonders deutlich zeigt. Und die mit medialer Aufgeregtheit und Geschwätzigkeit nicht zu knacken ist. Eine Talkshow jagt die andere. Schlauer ist man hernach nicht. Wie auch, wenn sie nur Bühne der Selbstdarstellung sind, für aufstrebende Politstars, als deren Ausweis für Kompetenz Geburtsort und/oder eine doppelte Staatsbürgerschaft genügen sollen? Und die Moderatorin ohne Kinderstube, die mit nacktem Finger auf angezogene Leute weist, eigentlich gar nichts wissen will von ihren Gästen. Da sie ja alles weiß. Und deren Rede, gerade wenn es mal doch unerwartet interessant wird, unterbricht.

Ach ja, Deutschlands Moderatoren. Das ist ein Slapstick für sich. Wulf Schmiese, ebenfalls vom ZDF, vom Frühstücksfernsehen, das dramatisches Geschehen in leichten Häppchen zum morgendlichen Kaffee reicht, belehrte uns neulich: »Die Ukraine ist kein Nationalstaat, weil es da nicht nur eine Nation gibt.« Da blieb einem das Brötchen im Halse stecken. Wie es sich mit Staat, Nation, Nationalität, Ethnie ... verhält, sprengt offenbar Schulweisheit. Wie die Moderatoren so die Minister. Deutschlands Ex-Agrarminister hat, als er noch Innenminister war, forsch verkündet: »Wenn unsere türkischen Mitbürger die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, hören sie auf, Türken zu sein.« Ach ja?

Wissen sollte Voraussetzung für Sprechen und Handeln sein. Darum bat »neues deutschland« zwei Historiker um Aufklärung über zwei Kapitel russischer und zugleich europäischer Geschichte. Auch wenn historische Vergleiche bekanntlich generell hinken, können sie nützlich sein. Und wenn die Medien, vor allem die flimmernden, einen neuen Krimkrieg regelrecht herbeischreien, kann man nur hoffen, dass die Politiker und Wirtschaftsgewaltigen cool bleiben, sich nicht kirre machen lassen. Spokoino. Ruhe und Besonnenheit, bitte. »Da alle Berichte, die aus Paris, Wien, Berlin, Konstantinopel und St.Petersburg eingetroffen sind, auf die Wahrscheinlichkeit eines Krieges hinweisen, sind die Preise an allen Börsen beiderseits des Kanals allgemein gefallen«, schrieb Karl Marx vor 160 Jahren, am 8. Februar 1854, in der »New-York Daily Tribüne«.