nd-aktuell.de / 10.03.2014 / Politik / Seite 2

Die Louis-Dreyfus-Affäre

Im Prozess gegen den FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß geht es um mehr als nur Steuerehrlichkeit

Hermannus Pfeiffer
Es ist der spektakulärste Steuerprozess der bundesdeutschen Geschichte - muss Fußballmanager Uli Hoeneß ins Gefängnis?

Mit großem Andrang wird am Montag am und im altehrwürdigen Münchner Justizpalast gerechnet. Uli Hoeneß muss dann neben seinen drei Anwälten auf der Anklagebank Platz nehmen. »Wir sind auf alles vorbereitet«, erklärte Gerichtssprecherin Andrea Titz. Man müsse neben »50, 500 oder 5000« Reportern auch mit Fans und Gegnern des FC Bayern und seines Präsidenten rechnen.

Der Fall des vermeintlichen Gutmenschen Hoeneß ist tief. Egal, wie der Prozess wegen Steuerhinterziehung an der 5. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II endet - die sportliche und wirtschaftliche Sonderstellung des FC Bayern München ist mit seinem langjährigen Manager und jetzigen Vereinspräsidenten eng verbunden. Ausgekocht pöbelte der durch eine Wurstfabrik reich gewordene 62-Jährige gegen jeden, wenn es dem Verein sportlich nützte. Und verschaffte sich Respekt in der internationalen Fußballwelt. In Notfällen war er oft zur Stelle. Selbst beim »Klassenfeind« FC St. Pauli dankte man ihm lange, dass er vor einem Jahrzehnt zur Rettung des Pleiteklubs beitrug. Aber der einstige Weltmeister aus dem Bayern-Starensemble der 1970er Jahre könnte ausgerechnet über den Fußball stolpern.

Im Strafprozess vor dem Landgericht geht es um mehr als »nur« Steuerehrlichkeit. Es geht um Millionen, die angeblich auf seinem Schweizer Konto lagen, ohne dass Hoeneß dafür Steuern in Deutschland zahlte. Als Quelle des vielen Geldes gilt Robert Louis-Dreyfus, Sprössling der gleichnamigen französischen Industriellendynastie, deren Interessen von Getreidespekulation über Schiffbau bis zu Sportartikeln (Adidas) reichen. Robert kaufte sich den skandalumwitterten Champions-League-Sieger Olympique Marseille als Spielzeug, war Vorstand bei Standard Lüttich. Kurzum, er war ein Hansdampf in allen Gassen - wie Hoeneß. Diesem soll er im Jahr 2000 fünf Millionen Mark angeblich für Börsenspekulationen direkt gezahlt haben, für viele weitere Millionen bürgte er. Wenig später stieg Adidas, dessen Chef Louis-Dreyfus war, beim FC Bayern ein. Bis heute rüstet Adidas die populäre Werbe-Ikone aus, ist mit rund zehn Prozent an dem Münchner Fußballkonzern beteiligt.

Ist dies der Grund, warum der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG in Sachen Hoeneß bislang stillhält? Obwohl die Nicht-Abberufung des geständigen Steuerhinterziehers offensichtlich gegen die eigenen »Regeln der guten Unternehmensführung« verstößt. Auch die VW-Tochter Audi hält Anteile an der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft. Und im Februar zahlte die Allianz 110 Millionen Euro für eine Bayern-Beteiligung. Im Aufsichtsrat sitzen neben VW-Chef Martin Winterkorn und dem jetzigen Adidas-Boss Herbert Hainer auch der Vorstandsvorsitzende des Hauptwerbepartners Deutsche Telekom, Timotheus Höttges. Der Bayern-Aufsichtsrat betonte vorsorglich, es gebe »kein Amtsverbot wegen einer strafrechtlichen Verurteilung«.

Hoeneß dürfte sich nicht groß von anderen dicken Fischen unterscheiden - Steuerflucht in die nahe Nachbarschaft war bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise beliebt und nahezu ohne Risiko. Erst die mediengerechte Festnahme von Postchef Klaus Zumwinkel im Jahr 2008 samt Verurteilung zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe leitete die Wende ein. Anders als Hoeneß heute trat Zumwinkel von seinem lukrativen Posten zurück. Solche Fälle und die ausufernden Staatsschulden führten in der Politik zum Umdenken. Druck aus den USA und durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf die schweizerischen Großbanken UBS und Credit Suisse half, den Verkehr auf den Autobahnen des Schwarzgeldes erheblich zu stören. Mehr jedoch nicht - alte »Paradiese« wie einige US-Bundesstaaten, britische und französische Ferieninseln aber auch neue wie Hongkong, Panama oder Israel versuchen, das aus der Schweiz oder Liechtenstein abwandernde Schwarzgeld aufzunehmen.

In Deutschland begannen die Behörden 2010 mit dem Kauf gestohlener CDs aus Banken in der Schweiz, Liechtenstein und Luxemburg. Doch bis zum Dezember 2012 hofften Steuerhinterzieher auf ein moderates Abkommen mit der Schweiz, das ihnen eine anonyme Nachversteuerung erlaubt hätte. Der Deal scheiterte an Einsprüchen vor allem SPD-regierter Bundesländer und der Linkspartei. Seither boomen die Selbstanzeigen beim deutschen Fiskus, die höhere Strafen verhindern sollen.

In den Kreis der Selbstanzeiger gehört auch Hoeneß. »Ich hatte all die Jahre ein schlechtes Gewissen«, wehklagte der 62-jährige, der immer mit den Medien zu spielen wusste, in einem Zeitungsinterview. Deshalb habe er seinerzeit Steuerfachleute beauftragt, die Sache ins Reine zu bringen. »Sollte es Fehler gegeben haben, habe ich diese nicht persönlich begangen.« Zuletzt schwieg Hoeneß, erklärte aber, wegen der drohenden Konsequenzen auch für seine Frau und Kinder könne er den Gedanken an eine Inhaftierung »nicht zulassen«.

Gleichwohl setzt der Fußballmanager auf Straffreiheit - dank seiner Selbstanzeige. Allerdings könnte diese zu spät eingereicht worden sein. Das Münchner Landgericht würde dann erstmals darüber entscheiden, wie eine fehlgeschlagene Selbstanzeige in Steuerfragen strafrechtlich zu bewerten ist. Das Verfahren dürfte auf jeden Fall noch vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM in Brasilien abgeschlossen sein, möglicherweise urteilt Richter Rupert Heindl aber schon an diesem Donnerstag. Das juristische Spiel dürfte dann in die Verlängerung gehen: Egal ob nun die Staatsanwälte oder der Angeklagte verlieren - Beobachter rechnen mit einem Revisionsverfahren.