nd-aktuell.de / 27.06.2006 / Brandenburg

Das »Tolerante Mahlow« gibt es nicht mehr

Letzte Versammlung der Arbeitsgemeinschaft liegt lange zurück / Antifa weist auf rechte Treffs hin

Ralf Fischer und Juri Eber
Vor über zehn Jahren - am 16. Juni 1996 - wurde der britische Bauarbeiter Noël Martin von Rechtsextremisten angegriffen und schwer verletzt. Nach dem Wurf eines sechs Kilogramm schweren Feldsteins in das Auto des dunkelhäutigen Mannes kam der Wagen von der Straße ab und prallte gegen einen Baum. Seitdem ist Martin querschnittsgelähmt. Die Tat brachte den kleine Ort Mahlow im Speckgürtel von Berlin europaweit in die Schlagzeilen. Behörden und Bewohner bemühten sich in den folgenden Jahren, das durch den Übergriff arg ramponierte Ansehen der Kommune zu verbessern. Ob mit Erfolg, darüber wird gestritten. Bei den Gedenkveranstaltungen rund um den zehnten Jahrestag der rassistischen Attacke wurde neben der Initiative »Bürger für Bürger« auch die Arbeitsgemeinschaft »Tolerantes Mahlow« als Veranstalter genannt. Diese Arbeitsgemeinschaft war eigentlich eine gute Sache, so der Ausländerbeauftragte der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, Mehmet Özbek. Aber: »Leider gibt es diese Initiative nicht mehr.« Auch Cordýline Bartz, der viele Veranstaltungen organisierte und vor fünf Jahren zwei Wochen lang mit Noël Martin durch Brandenburg reiste, meint, dass die Arbeitsgemeinschaft seit Anfang 2004 nicht mehr existiert. Sogar die Pläne für die Nachfolgeorganisation »Gemeinsam wachsen« verliefen im Sande. Bürgermeister Ortwin Baier (SPD) bestätigt, dass die Arbeitsgemeinschaft »Tolerantes Mahlow« sich im Jahre 2003 nicht mehr traf. Er habe aber auch nie eine Mitteilung erhalten, in der eine Auflösung bekannt gegeben wurde. Laut Ortwin Baier haben »99 Prozent der Bevölkerung mit dem Thema Rechtsextremismus nichts am Hut«. Das bestätigt Bartz. Im Gegensatz zu Baier versteht er jedoch darunter, dass »die nichts mit dem Thema am Hut haben, weil sie davor die Augen verschließen«. Alle fünf Jahre am 16. Juni sei das Thema Rechtsextremismus Stadtgespräch. »Aber nicht, um sich wirklich Sorgen um die Zukunft demokratischer Werte zu machen, sondern um den Ruf der Gemeinde zu retten.« Die Autonome Antifa Teltow-Fläming sieht dies ähnlich. Um über den grassierenden Rechtsextremismus in der Region aufzuklären, lud man unter dem Motto »Stammtisch, Schläger, Saubermänner - Die extreme Rechte im Land Brandenburg« zu einer Informationsveranstaltung im nahe gelegenen Rangsdorf ein. Zwei Dutzend Neonazis - viele von ihnen vermummt und mit Steinen bewaffnet - versuchten, die Veranstaltung anzugreifen. Die Polizei nahm elf Personen in Gewahrsam. Nach Informationen des Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums (Apabiz) waren unter den Neonazis von Rangsdorf auch Dennis E. und Timo L. aus der Berliner Kameradschaftsszene. Die beiden sitzen derzeit wegen des Überfalls von Schönefeld, bei dem ein jugendlicher Deutsch-Äthiopier verletzt wurde, in Untersuchungshaft. Die Autonome Antifa Teltow-Fläming weist darauf hin, dass je eine Kneipe in Mahlow und eine in Blankenfelde Anlaufpunkte für die rechte Szene seien. Bürgermeister Baier verspricht, sich dieses Problems persönlich anzunehmen. Er betont, dass genau überprüft wird, ob Rechte auf dem Bahnhofsvorplatz »herumlungern« oder in den Lokalen anzutreffen sind. Wenn dies der Fall ist, so will der Bürgermeister aktiv werden. Wie berichtet, hat Martin seinen Freitod für 2007 angekündigt. Vorher allerdings will er noch einmal Brandenburg besuchen, um Menschen zu treffen, die sich hier gegen Rassismus engagieren.