nd-aktuell.de / 19.03.2014 / Brandenburg / Seite 9

Asylverfahren nach Zeltabbau

Senat präsentiert Einigung mit Flüchtlingen, doch nicht von allen Bewohnern wird sie akzeptiert

Bernd Kammer und Sarah Liebigt
Das Flüchtlingscamp auf dem Kreuzberger Oranienplatz soll von den Besetzern freiwillig abgebaut werden. Doch offenbar sind nicht alle Flüchtlinge damit einverstanden.

Noch bis in die Mittagsstunden hatte Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) am Dienstag mit Vertretern der Flüchtlinge vom Oranienplatz verhandelt, dann präsentierte sie gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Innensenator Frank Henkel (CDU) die Ergebnisse ihres wochenlangen Ringens um eine friedliche Lösung. Vereinbart wurde mit den Flüchtlingen, dass diese selbst den Abbau der Zelte und Hütten auf dem Oranienplatz organisieren, auch die besetzte Gerhart-Hauptmann-Schule in der Reichenberger Straße wird geräumt. Ein entsprechendes Papier darüber hat Kolat mit einigen der Verhandlungsführer unterzeichnet.

Im Gegenzug sichert der Senat den Flüchtlingen zu, Einzelfall-Lösungen für Aufenthaltsgenehmigungen und Asylanträge zu prüfen. Dafür sollen die Flüchtlinge Unterstützung wie rechtliche und soziale Beratung durch Caritas und Diakonie sowie die Integrationsbeauftragte des Landes bekommen. Auch Unterkünfte wird Berlin bereitstellen. Grundlage dafür seien die von den Flüchtlingen erstellten Namenslisten. Insgesamt geht es laut Kolat um 467 Menschen, die derzeit auf dem Oranienplatz und in der Schule wohnen sowie in zwei Heimen der Kirchen untergebracht sind. Etwa 200 seien über Lampedusa eingereist und hätten dort italienische Papiere bekommen. Sie können in Berlin einen Antrag auf Aufenthalt stellen und erhalten für diese Zeit eine Duldung, die Abschiebung bleibt ausgesetzt.

Eine Frist, bis wann Oranienplatz und Schule geräumt sein sollen, wurde nicht genannt. Sobald es Unterkünfte gebe, sollten die Flüchtlinge sukzessive umziehen, so Kolat. Klaus Wowereit geht davon aus, dass alle ein Interesse haben, die Vereinbarung umzusetzen. Die Asylverfahren würden zudem erst starten, wenn Schule und Platz geräumt seien. Nur ein Zelt darf bleiben - das Infozelt, in dem die Flüchtlinge weiterhin ihre politischen Forderungen etwa nach Abschaffung der Residenzpflicht vertreten können. »Die sind nachvollziehbar, das unterstütze ich«, so Kolat.

Wowereit wies mit Blick auf den neben ihm sitzenden Innensenator noch einmal darauf hin, dass es im Umgang mit dem Oranienplatz unterschiedliche Positionen im Senat gegeben habe, aber letztlich dankte er auch Frank Henkel. Der denkt jetzt nicht mehr an gewaltsame Räumung und meinte, mit den Erreichten könne er gut leben. »Der Ball liegt jetzt beim Oranienplatz«, so Henkel. Da war er sich ausnahmsweise auch mit seiner bisherigen Kontrahentin, Friedrichhain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) einig. Sie nannte die Einigung einen »guten Tag für die Flüchtlingspolitik«. Die Möglichkeiten des Senats seien bei diesem Thema begrenzt, »aber was wir können, haben wir angeboten«.

Laut Kolat wird das Papier von 80 Prozent der Flüchtlingen mitgetragen. Von ihren sechs bis sieben Verhandlungsführern hätten bisher drei die Vereinbarung unterzeichnet, ein Vierter trage es mit. Abgelehnt werde sie von einer kleinen Gruppe von Flüchtlingen, die über Lampedusa eingereist und deren Asylanträge bereits in anderen Bundesländern abgelehnt worden seien. Sie verlangten ein Bleiberecht. »Das konnte ich nicht zusagen.«

Eine Gruppe von Flüchtlingen aus Lampedusa erklärte anschließend auf dem Oranienplatz, dass das Angebot nur für einen Teil der Bewohner gelte. Daher hätten nicht alle unterschrieben. »Das Papier enthält nicht das, worauf wir uns geeinigt haben«, so Hakim, einer der Delegierten. Die Senatorin habe das Angebot verändert. »Wir akzeptieren diese Vereinbarung nicht und werden hier bleiben.«

Nach Ansicht von Hakan Taş, flüchtlingspolitischer Sprecher der Linkspartei, ist das Ergebnis von einer Lösung des Problems weit entfernt. Es brauche eine Lösung, die für alle Flüchtlinge gelte. Dass diese nicht gelungen ist, dafür machte er vor allem den Innensenator verantwortlich. »Beim Thema Bleiberecht hätte er den Flüchtlingen weiter entgegenkommen müssen.« Canan Bayram (Grüne) freute sich über die friedliche Lösung. »Die nächsten Tage werden zeigen, ob es wirklich eine Lösung ist, die von allen Beteiligten getragen wird.«