Mit einer Million und Angry Birds zur WM

Der Basketball-Weltverband FIBA verkaufte Wildcards - sportliche Gründe spielten dabei nur eine Nebenrolle

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Million Schweizer Franken kostete eine Wildcard für die Basketball-WM 2014. Außerdem bevorzugte der Weltverband Länder mit großen Sponsoren und neuen Werbeplattformen.

Die Verwunderung war groß, als der Basketball-Weltverband FIBA Anfang Februar seine Wildcards für die WM in Spanien verteilte. Finnland, Brasilien, die Türkei und Griechenland dürfen im September mitspielen. In der Woche vor der Vergabe war herausgekommen, dass die vier letzten Freikarten nur für viel Geld zu haben sein werden, woraufhin Deutschland und Italien ihre Bewerbungen zurückzogen. Nun ist klar: Sie hätten wirklich eine Menge bezahlen müssen: eine Million Schweizer Franken. Das bestätigt der Präsident des Deutschen Basketball Bundes (DBB), Ingo Weiss, gegenüber »nd«.

Der DBB hatte sich aus dem Verfahren zurückgezogen, als wenige Tage vor der Vergabe immer noch unklar war, wie viel eine Wildcard kosten würde, und alles nach einer Versteigerung aussah: »Wir wollten keinen Bieterwettstreit. Es geht nicht, dass sich alle gegenseitig hochjubeln«, verteidigt Weiss den Schritt erneut. Auf die Kritik reagierte die FIBA offenbar. »Danach wurden eine Million Schweizer Franken definitiv festgesetzt, und so weit ich weiß, haben alle vier das auch bezahlt«, sagt Weiss.

Die Summe erscheint unheimlich hoch und der Vorgang zugleich ethisch mindestens unsauber, doch Weiss gibt zu bedenken, dass sie sich für einige Verbände durchaus hätte lohnen können: So hatte sich auch Israel für eine Wildcard beworben in dem Wissen, dass die Mannschaft damit automatisch auch für die EM 2015 qualifiziert gewesen wäre. »Die gesamte EM-Qualifikation mit allen Reisen und Sicherheitsvorkehrungen in Israel hätten den Verband dort sogar 1,6 Millionen gekostet«, erläutert Weiss.

Außerdem gehe das gesamte Geld an die Stiftung der FIBA, und die tue damit schließlich gute Sachen, so Weiss: »Damit wird Basketball in Namibia gefördert und in vielen anderen Ländern in Afrika und auch in Asien. Außerdem wird von dem Geld in Malta eine Sporthalle wieder aufgebaut, die vor zwei Jahren abgebrannt war«, gibt Weiss Beispiele. Er selbst sitzt im Vorstand der Stiftung. Kein Geld verschwinde in dunklen Kanälen, versichert er, externe Wirtschaftsprüfer untersuchten regelmäßig die Haushaltspläne von Verband und Stiftung.

Bleibt die Frage, warum Finnland, Brasilien, die Türkei und Griechenland zur WM dürfen und nicht die sicherlich noch finanzstärkeren Verbände aus Russland, China oder Katar, die sich ebenfalls beworben hatten. Weiss sagt, nach der Zahlung der »Bewerbungsgebühr« hätten sportliche Gründe den Ausschlag gegeben: Griechenland sei in der Weltrangliste am höchsten platziert, die Türkei war beim Turnier 2010 Vizeweltmeister, in Brasilien finden in zwei Jahren die Olympischen Spiele statt, und Finnland sei ein aufstrebender »Exot, der noch nie bei einer WM dabei war«. Auch ein Neuling sei gewünscht gewesen.

Alles einleuchtende Gründe, doch nicht annähernd die ganze Wahrheit. Auch hier ist in mindestens drei Fällen davon auszugehen, dass wirtschaftliche Interessen der FIBA das Zünglein an der Waage spielten: So stand in den vergangenen fünf Jahren immer ein griechischer Klub im Finale der Euroleague, viermal gewannen Panathinaikos Athen oder Olympiakos Piräus sogar. Die Hallen in Griechenland sind voll, und der höchste europäische Klubwettbewerb ist ein internationaler Renner, der in fast 200 Länder übertragen wird. Außerdem hatte das griechische Fernsehen bereits einen Vertrag unterzeichnet, die WM in Spanien zu übertragen. Pikant dabei ist, dass der marode griechische Staat den eigenen Basketballverband immer noch mit mehreren Millionen Euro im Jahr unterstützt, knapp eine davon ist jetzt an die FIBA gegangen.

Nun zur Türkei: Nach dem Vizeweltmeistertitel 2010 vor eigenem Publikum kam der freie Fall. Die Qualifikation für Olympia 2012 wurde verfehlt, bei den Europameisterschaften 2011 und 2013 wurden die Türken 11. und 17. Für eine WM-Wildcard reichte es trotzdem, denn nicht nur die Euroleague hat einen türkischen Hauptsponsor, sondern auch die WM 2014. Die Haushaltsgerätefirma BEKO ist in türkischer Hand und unter anderem auch Namenssponsor der Basketball-Bundesliga BBL.

Zu guter Letzt Finnland: Dem Weltranglisten-39. waren eigentlich wenig Chancen eingeräumt worden, bis der Präsident des finnischen Basketballverbandes Antti Zitting zwei Tage vor der Wildcard-Vergabe seinen Joker aus dem Hut zauberte: die Firma Rovio. Die Softwareentwickler aus Finnland sprangen den eigenen Basketballern zur Seite und versprachen im Gegenzug für die Teilnahme Werbeplätze für die WM auf ihrer berühmtesten Plattform: Angry Birds. Das Handy- und Computerspiel wurde bereits zwei Milliarden mal weltweit heruntergeladen, sagt der Hersteller. Dieses Werbemedium wollte sich die FIBA nicht entgehen lassen.

Ab der WM 2018 wird es übrigens keine Wildcards mehr geben. »WM-Startplätze anstatt nach sportlichen Gesichtspunkten für Geld zu vergeben, ist verwerflich. Und da muss ich die FIBA loben: Sie hat dazugelernt«, sagt DBB-Präsident Ingo Weiss.

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