nd-aktuell.de / 24.03.2014 / Politik / Seite 3

»In 20 Jahren sind hier alle tot!«

Die Warnung von Schiavone nahm damals niemand ernst

Tom Mustroph

Kampanien hat ein Müllproblem - und das hat größere Dimensionen als die nicht abtransportierten Berge von Hausmüll, die in regelmäßigen Abständen über die Bildschirme flimmern. Seit den 80er Jahren vergräbt die Camorra Industrie- und Sondermüll auf den Äckern. Allein von 1991 bis 2013 hat die Staatsanwaltschaft Neapel Transporte von etwa zehn Millionen Tonnen Giftmüll vor allem aus Norditalien in die Provinzen Caserta und Neapel nachgewiesen, deswegen 82 Ermittlungen eingeleitet und 915 Haftbefehle erlassen.

Interessiert hat dies lange Zeit kaum jemanden. Dabei hatte der Camorra-Aussteiger Carmine Schiavone schon 1987 gewarnt: »In 20 Jahren sind hier alle tot.« Erst als sich dies in den letzten Jahren in Form von gehäuften Krebserkrankungen zu bewahrheiten begann, interessierten sich außer Staatsanwälten und der Umweltschutzorganisation Legambiente auch Politik und Zivilgesellschaft für die Ausmaße des illegalen Müllgeschäfts.

22 Zonen mit hohem Aufkommen an illegalen Mülldeponien sind derzeit im Hinterland von Neapel in der sogenannten Terra die Fuochi kartiert. Der Name (Land der Feuer) leitet sich von den brennenden Müllbergen ab. Das verseuchte Gebiet macht laut Forstgeneral Sergio Costa etwa ein Prozent der Fläche Kampaniens aus. Hier vermutet Costa auch einen Großteil des illegal entsorgten Industriemülls. Das entspricht laut dem Forschungsinstitut ISPRA einem Viertel der Menge des deklarierten Industriemülls - und ist etwa so viel, wie Italiens Bevölkerung jährlich an Hausmüll produziert.

Warum soviel Gift- und Industriemüll illegal entsorgt wird, beschreibt Antonio Gallozzi von Legambiente so: »Wenn ein Unternehmer bei der Steuer nur Einnahmen von 10 000 Euro angibt, aber Ausgaben für Müllentsorgung hat, die auf eine höhere Produktion hinweisen, wird die Finanzverwaltung aufmerksam. Also muss der Unternehmer, der schwarz produziert, auch seinen Müll illegal entsorgen.« Eine perfide Logik, die auch den Abnehmern Gewinn bringt. Auf jährlich 3,1 Milliarden Euro schätzt Legambiente das Geschäft mit illegalem Müll in Italien.

Tom Mustroph