Was tun mit aggressiven Fahrgästen?

Mainzer Trainingszentrum schult Überland-Busfahrer

  • Susanne Popp, Mainz
  • Lesedauer: 2 Min.

Spätabends, nur noch wenige Fahrgäste sitzen im Nachtbus. Ein Mann bedrängt seine Sitznachbarin. Sie protestiert erfolglos, blickt hilfesuchend nach vorne zum Fahrer. Den Umgang mit Situationen wie in diesem Rollenspiel üben Busfahrer beim Sicherheitstraining der Omnibusverkehrsgesellschaft Rhein-Nahe (ORN) in Mainz. Das Projekt der Deutschen Bahn soll Nacht- und Überlandfahrten sicherer machen.

In dem bundesweit größten Projekt dieser Art seien bisher insgesamt 330 Busfahrer ausgebildet worden, erklärt Projektleiterin Dagmar Yancey im Schulungsraum der ORN. In dem hellen Raum in der Mombacher Straße hängen Plakate und eng beschriebene Wandtafeln. Seit September 2013 werden hier Gruppen im Umgang mit Konflikten geschult. Ziel sei es, dass die Fahrer drohenden Streit und Aggressionen im Voraus erkennen und verhindernd eingreifen, sagt Yancey. Das Projekt basiere unter anderem auf Trainingsprogrammen der Bahn für Zugschaffner.

Markus Kohlberger (41) fährt seit 2002 für die ORN. Er erinnert sich an eine nächtliche Fahrt, auf der eine zehnköpfige Gruppe laut im hinteren Teil seines Busses debattierte. »Da hatte ich schon Herzklopfen, einzuschreiten«, sagt er. Deshalb habe er sich für die neue Schulung in Mainz angemeldet.

Zwei Tage lang bildet Disponent Frank Horn die Busfahrer hier aus. Er vermittelt psychologische Theorien zur Deeskalation und Kommunikation, um »Sensibilität für das Gegenüber zu wecken«. Oft lasse sich schon am Gang, an Gestik und Mimik der Fahrgäste erkennen, ob Konflikte drohten, sagt Horn. Rollenspiele sollen als zweiter Schwerpunkt der Schulungen zeigen, wie mit sachlichen Worten auf hochgelegte Schuhe oder tropfendes Eis reagiert werden kann. Gewalttätigkeiten wie eine Schießerei oder Prügelei seien hingegen selten und würden deshalb nicht nachgespielt, sagt Yancey. Wie häufig es zu Konflikten in Überland-Bussen komme, könne sie nicht sagen. Auch ein Bahn-Sprecher nennt keine Zahlen. Das Sicherheitstraining sei jedoch eine Folge der zunehmenden Nacht- und Überlandfahrten und ein Angebot, um sich gegenüber privaten Konkurrenten zu behaupten.

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) biete keine speziellen Schulungen an, da es nicht auffallend mehr Nachtfahrten gebe und Übergriffe kein Thema seien, sagte Sprecher Matthias Schröter. Deeskalierendes Verhalten bei Konflikten gehöre für die Busfahrer der meisten Unternehmen zum Standard. Auch bei vielen Firmen des ÖPNV sei der Umgang mit Konflikten Teil der Personalschulungen, teilte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit. dpa/nd

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