nd-aktuell.de / 27.03.2014 / Politik / Seite 14

Gesegnete Freunde und Helfer

In Sachsen-Anhalt wurde eine Polizeikirche eröffnet - die erste in der Bundesrepublik

Hendrik Lasch, Dessau-Roßlau
Die Zahl der Reviere soll drastisch sinken, dafür hat Sachsen-Anhalts Polizei jetzt ein Gebetshaus: In Dessau wurde die erste Polizeikirche Deutschlands eingeweiht.

Vielleicht hat die Polizei in Sachsen-Anhalt geistlichen Zuspruch und Fürbitte besonders nötig, durchlebt sie doch gerade schwere Zeiten. Das Innenministerium plant einen radikalen Umbau, der heute erneut im Landtag zur Debatte steht; CDU-Ressortchef Holger Stahlknecht will gegen erbitterten Protest der Gewerkschaften tiefe Einschnitte vornehmen, um Vorgaben des Finanzministers umzusetzen. Die Zahl der Vollzugsbeamten, die 2008 noch bei 8000 lag und seither auf 6700 gesunken ist, soll binnen drei Jahren um weitere 700 zurückgehen. Zudem müssen verbliebene Beamte wohl zunehmend im Streifenwagen arbeiten: 69 Polizeistationen und die Hälfte der 30 Kommissariate soll geschlossen werden.

Doch es gibt auch gute Nachrichten für die sachsen-anhaltischen Polizisten: Seit Mittwoch haben sie eine eigene Kirche - die erste bundesweit. Nachdem es in Deutschland schon Gotteshäuser gibt, die Radfahrern sowie Nutzern von Autobahnen offen stehen, wurde nun die evangelische Kirche im Dessauer Ortsteil Großkühnau mit einem Gottesdienst als ersten Polizeikirche eingeweiht.

Zu einer Art Ersatzrevier wird der 1829 im neoromanischen Stil errichtete Backsteinbau freilich nicht. Hausherr bleibe die örtliche Gemeinde, erklärt Landespolizeipfarrer Michael Bertling: »Sie hat uns Gastrechte eingeräumt.« Die Polizei werde Mitnutzer des Gotteshauses, aber eigene wöchentliche Gottesdienste sind nicht vorgesehen: »Das wird keine geschlossene Veranstaltung.«

Genutzt werden sollen die Kirche und ein ehemaliges Pfarrhaus vielmehr für Gesprächsrunden, Seminare und persönliche Beratung. Der Bedarf dafür ist bei Polizisten nicht zu unterschätzen, sagt Bertling. Zum einen erleben sie viele Einsätze als persönlich belastend, etwa wenn sie bei Verkehrsunfällen oder häuslicher Gewalt mit Leid, Verletzungen und Tod konfrontiert werden. Daneben müssten sie bei der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols hin und wieder »grenzwertig« handeln. Schließlich seien Polizisten auch selbst körperlichen und verbalen Attacken ausgesetzt: »Das nimmt deutlich zu«, sagt der Polizeipfarrer.

Gelegenheit, darüber im dienstlichen Alltag zu sprechen, gibt es selten. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass den Polizisten schon seit Jahren auch geistlicher Beistand angeboten wird: 1994 unterzeichneten das Land und die Kirchen eine Vereinbarung zur Polizeiseelsorge; derzeit sind neben dem hauptamtlich tätigen Bertling noch fünf evangelische und ein katholischer Geistlicher zeitweise für die Polizisten im Einsatz.

Die angespannte Personalsituation lässt indes für die Nutzung der Angebote wenig Zeit; zudem fehlen in den Revieren oft geeignete Räume. Bertling und seine Kollegen begleiten zwar Beamte im Streifenwagen und bieten Gespräche in den Dienststellen an; der Ort, an dem er bis jetzt am besten mit Beamten in Kontakt kam, war aber die Raucherecke. Die Großkühnauer Kirche, gelegen direkt an einem zum See gewordenen Altarm der Elbe und am Wald, ist ein gesünderer Ort.

Die Idee für eine Polizeikirche wurde im Seelsorgebeirat der Landeskirche Anhalt entwickelt, die den Osten des Bundeslandes abdeckt und gut ein Viertel der 365 000 Protestanten in Sachsen-Anhalt vereint. Das Konzept orientiert sich an der Betreuung von »Gemeinden auf Zeit«, wie es sie etwa in Krankenhäusern oder Gefängnissen gibt - »nur, dass diese Zeit hier ein gesamtes Berufsleben umfasst«, sagt Bertling. Angesprochen werden nicht nur konfessionell gebundene Polizisten, fügt er hinzu. Deren Anteil liegt deutlich unter den 15,5 Prozent Protestanten im Landesdurchschnitt. Bertling erinnert daran, dass in der DDR angehende Polizisten aus der Kirche austreten mussten. Die Folgen dieser Regelung »wirken bis zum heutigen Tag nach« und resultierten in einer gewissen Skepsis, sagt er - und zwar auf beiden Seiten.

Die Suche nach einem geeigneten Domizil innerhalb der Landeskirche Anhalt war dennoch nicht schwierig. In die engere Auswahl kamen drei Kirchen; Widerstände habe es in keiner Gemeinde gegeben, sagt Bertling. Für Großkühnau sprachen örtliche Gegebenheiten wie die Nähe zum See, die etwa auch einen Familientag erlaubt. Zudem können im Pfarrhaus auch mehrtägige Seminare durchgeführt werden. Einmal im Monat könnte es eine Andacht eigens für Polizisten geben. Und falls demnächst auch andere Kirchen die Idee aufgreifen, wäre Bertling nicht böse: »Wir wollten einen Anfang machen«, sagt er, »aber Konkurrenzneid gibt es nicht.«