nd-aktuell.de / 28.03.2014 / Brandenburg / Seite 10

Pflegebedürftigkeit macht arm

Die Leistung der Versicherung hält mit der Kostensteigerung nicht Schritt

Wilfried Neiße
Der Eigenanteil für einen pflegebedürftigen Brandenburger ist innerhalb von viereinhalb Jahren um 70 Prozent geklettert. Wie kann das sein?

Explodieren die Kosten für die Unterbringung von Senioren in Pflegeheimen? In einer parlamentarischen Anfrage gehen die Landtagsabgeordneten Marco Büchel und Astrit Rabinowitsch (beide LINKE) von einer zum Teil unvertretbaren Zunahme des geforderten Eigenanteils aus. Sozialminister Günter Baaske (SPD) dagegen »hält die durchschnittliche Kostenentwicklung der letzten Jahre für sachgerecht«.

Büchel und Rabinowitsch heben hervor, dass Pflegeheime »die Kosten für einen Pflegeplatz teilweise sehr deutlich anheben«. Damit steige der Eigenanteil der Betroffenen beziehungsweise ihrer Angehörigen ebenso stetig »und kann von vielen nicht mehr getragen werden«. Die beiden Abgeordneten verweisen, um das Problem zu illustrieren, auf einen Fall, in dem der geforderte Eigenanteil eines zu pflegenden Menschen innerhalb von viereinhalb Jahren um 70 Prozent zugenommen habe. »Viele Betroffene sind in Unkenntnis darüber, welche Möglichkeiten ihnen zu Verfügung stehen, um auf diese Kostensteigerung reagieren zu können«, heißt es in der Anfrage.

Sozialminister Baaske zufolge gibt es bei der Pflege keine Kopplung des Eigenanteils an die Kosten der Einrichtung. Insofern führen gesteigerte Pflegekosten nicht automatisch zu einem höheren Eigenanteil. Entscheidend dafür, ob und in welcher Höhe ein Bewohner etwas dazuzahlen müsse, sei die Höhe des verfügbaren individuellen Einkommens beziehungsweise des Vermögens, die nach Abzug »von Freibeträgen höher oder niedriger ausfällt«. Der Minister verweist auf Angaben der zuständigen Serviceeinheit beim Landkreis Dahme-Spreewald, der zufolge die Anzahl der Bewohner, die aufgrund ihres Einkommens zu den Kosten herangezogen werden, »nach dortiger Kenntnis sehr gering« ausfalle.

Die durchschnittliche Kostenentwicklung in den Heimen ist laut Baaske vertretbar, »weil sie sich an der Steigerung der Personal- und Sachaufwendungen orientiert«. In den Kostensätzen spiegeln sich Lohnentwicklungen und Preissteigerungen wider, wie auch höhere Verbraucherpreise, insbesondere für Energie. Laut Baaske ist der Pflegesatz für die vollstationäre Dauerpflege zwischen 2007 und 2011 in der Pflegestufe 1 von 37 Euro täglich auf 39,52 Euro gestiegen, in der Pflegestufe 2 von 46 Euro auf 50,01 Euro und in der Pflegestufe 3 von 62 Euro auf 66,86 Euro. Das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung stieg von 16 Euro auf 16,97 Euro.

Während sich die Kosten der Pflege erhöhten, wuchs die Pflegeversicherungsleistung nicht im selben Maße, bestätigte der Minister. Daher sei der von der Pflegeversicherung abgedeckte Teil an den Gesamtkosten in den vergangenen Jahren »deutlich gesunken«. Weil aus diesem Grunde der Eigenanteil im gleichen Maße gestiegen ist, sei die Zahl stationärer Pflege Bedürftiger, die auf die Sozialhilfe angewiesen sind, stark gewachsen. Ursprünglich sollte die Pflegeversicherung verhindern, dass Pflegebedürftigkeit in die Sozialhilfe führt, doch werde dieses Ziel, »immer weniger erfüllt«, bedauerte Baaske. Daher spreche sich die rot-rote Regierung dafür aus, die Leistungen der Pflegeversicherung entsprechend der allgemeinen Preissteigerung zum 1. Januar 2015 anzuheben. Sollten sich die Entgelte nach Ansicht Betroffenen unverhältnismäßig erhöhen, so empfiehlt der Minister den Rechtsweg. »Vor diesem Hintergrund bietet die Verbraucherschutzzentrale Brandenburg spezielle Unterstützung an.« Baaske verwies auf das Recht des jeweiligen Heimbeirates, Auskunft zu verlangen.

Für den Abgeordneten Büchel ergibt sich aus der Antwort, dass es tatsächlich Kostensteigerungen gibt - übrigens mit gravierenden Unterschieden zwischen den einzelnen Landkreisen. Aus der Kostenexplosion schließt Büchel: »Eine Anpassung der Pflegesätze ist unbedingt notwendig.«