Digitale Maschen im Netz

Rechtspolitischer Kongress des DGB diskutiert über Folgen der digitalisierten Arbeitswelt

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt ist längst Alltag für Beschäftigte. Beim Arbeitsschutz jedoch hapert es und ein Beschäftigtendatenschutzgesetz lässt auch auf sich warten.

E-Mail statt Ablage, digitale Erfassung von Kassenvorgängen, SMS nach Feierabend oder das gemeinsame Arbeiten an Projekten übers Internet - die Liste der Digitalisierung der Arbeit ist lang und längst nicht abgeschlossen. Gleichzeitig bewegt sich die Arbeitswelt im Spannungsfeld zwischen dem Recht auf Datenschutz und der Freiheit, die mobile Arbeitsplätze bieten. Dieses Spannungsfeld war einer der Schwerpunkte auf dem zweitägigen rechtspolitischen Kongress »Demokratisierung von Gesellschaft und Arbeitswelt« des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin diese Woche.

Statistischen Erhebungen zu Folge ist für über 80 Prozent der Beschäftigten in Deutschland ein Arbeitsalltag ohne Computer nicht mehr denkbar, für knapp 80 Prozent gilt das Gleiche in Bezug auf mobile Geräte wie Tablets, Smartphone oder Handy. Regelmäßig das Internet nutzen rund die Hälfte der Beschäftigten.

Doch es geht nicht nur um den Arbeitsalltag der Beschäftigten, auch Unternehmen nutzen die große Bandbreite, die Digitalisierung bietet, etwa beim Erfassen von Personaldaten oder durch Überwachungsmöglichkeiten. Sie greifen zu, wo es machbar ist, wie Peter Wedde vom Eppsteiner Institut für Datenschutz, Arbeitsrecht und Technologieberatung deutlich machte. Er berichtet von Software, die mit Hilfe von RFID-Chips eine komplette Überwachung jedes Beschäftigten und jedes genutzten Werkzeuges möglich macht. Oder einem Programm, das die Emotionen von Call-Center-MitarbeiterInnen misst, um deren Lächeln zu optimieren - schließlich »hören« die Kunden die Gefühlslage mit.

Vieles davon ist unrechtmäßig, anderes in der Grauzone, da es weder in Deutschland noch EU-weit ein Beschäftigtendatenschutzgesetz gibt. Gefragt sind deshalb Betriebsräte, die Vereinbarungen mit den Unternehmen aushandeln müssen. Sie können sich auf das Betriebsverfassungsgesetz stützen, das in Artikel 87 festlegt, dass der Betriebsrat mitbestimmen darf bei »der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen«.

Einfacher wäre es, würde ein Beschäftigtendatenschutzgesetz diese Bereiche regeln, »denn in der Praxis ist vieles rechtswidrig, hat aber in der Rechtswirklichkeit keine Konsequenzen«, so Marita Körner von der Universität Hamburg. Doch weder auf EU-Ebene noch auf nationaler Ebene ist ein solches in Sicht. Lediglich die EU-Datenschutz-Grundverordnung ist momentan noch im Prozess, allerdings sind bisher wenig spezifische Regelungen für Beschäftigte geplant. Positiv sei dennoch, so Körner, dass sie auch für Unternehmen gelten soll, die ihren Sitz außerhalb der EU haben wie Facebook oder Google.

Wenig Antworten gab es hingegen auf Fragen nach den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsorganisation. Neue Arbeitsformen wie »Cloudworking« oder »Crowdsourcing« scheinen eine Herausforderung für Gewerkschaften, denn sie sind meilenweit entfernt vom Normalarbeitsverhältnis und dennoch Alltag besonders in der IT-Branche. »Hier werden völlig neue Organisationsformen genutzt, die Arbeit wird über Netzwerke verteilt, die jeweils Arbeitsschritte etwa in der Softwareentwicklung übernehmen«, erklärt Jan Leimeister von der Universität Kassel und beschreibt gleichzeitig einen Generationenwechsel, denn »die meist jungen Menschen, die das machen, wollen das so«. Diese Organisierung biete ein großes Maß an Freiheit: es ist egal wann und wo ich arbeite. Eine solche Selbstorganisierung könne sehr leistungsfähig sein, so Leimeister. Arbeitsrechtlich jedoch sind diese Arbeitsverhältnisse schwer zu fassen, oftmals sind die Beschäftigten freiberuflich, ohne Sozialversicherung und Arbeitsschutz. »Hier besteht eindeutig Handlungsbedarf«, erklärt der Wirtschaftsinformatiker, »wir brauchen für die verschiedenen Bereiche gute Spielregeln«.

Regelungen sind gefordert, denn, so die Gewerkschaftsvertreterinnen auf dem Podium: »Wir dürfen die Digitalisierung nicht verteufeln wie die Weber die Maschinen zu Zeiten der industriellen Revolution. Wir müssen die digitale Arbeitswelt mit gestalten.«

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