nd-aktuell.de / 28.03.2014 / Kultur / Seite 12

Freuds Träume

Kurzfilme bei »ContraVision«

Caroline M. Buck

Wer in 30 Minuten eine Geschichte erzählen will, muss schnell auf den Punkt kommen. Die 76 Filme aus 21 Ländern, die beim Kurzfilmfestival ContraVision um die drei Publikumspreise konkurrieren, brauchen teils noch weniger Zeit: der kürzeste Beitrag ist nur eine einzige Minute lang. In neun Tagen Festival summieren sich die vielen Horror- und Animationsfilme, Beziehungsdramen und politischen Pamphlete trotzdem auf volle 18 Stunden Programm, unterteilt in griffige Tagesthemen wie »Sex & Crime« (gleich am Freitag), »Ein Sofa voller Narren« (Untertitel: Wovon Sigmund Freud nicht zu träumen wagte) oder auch »Nachbarn und andere Katastrophen« - ein Thema, zu dem wohl viele Berliner einen Beitrag leisten könnten.

Im CineVision-Programm laufen an diesem Tag allerdings auch politische Filme wie »Leviathan’la yasamak« (Living with Leviathan), ein engagierter, mit kleinen Digitalkameras gedrehter, aus den Aufnahmen diverser Amateurfilmer zusammengeschnittener Elfminüter, der mit einem Tränengasangriff der Polizei auf die Gezi-Demonstranten in Istanbul beginnt und dann davon erzählt, wie dieser Angriff dazu führte, dass der Widerstand sich organisierte und vernetzte und zum Kampf um das Anrecht der Zivilgesellschaft auf politische Mitbestimmung wurde. Gewidmet ist der Film den Opfern der Demonstrationen. Da schweigt auch der nachbarschaftsgeschädigte Berliner dann mal stille.

Und findet seine Stadt (samt gehöriger Berliner-Schelte) dafür in einem eigenen Film wieder, im kunstfertigen »Nashorn im Galopp« von Erik Schmitt. Die Nashörner, das sind all die Berliner, die - anders als der Held des Films - nicht achtsam mit dem umgehen, was um sie herum stattfindet. Neben dem Helden und der Stadt taucht auch noch eine weit gereiste Rothaarige auf, mit der der Protagonist die Stadt erkundet. Was aber, wenn sie dann schließlich abreist? Dann spricht die Stadt zum Helden wie noch nie zuvor - und plötzlich ist das im Vorübergehen mitgehörte Handy-Telefonat eine Botschaft, steckt in jedem Verkaufsgespräch von Marktfrauen eine Message - und der Held ist nicht mehr ganz so verliebt in diese Stadt, die er doch bisher als einziger verstand. Aber glücklicherweise lässt sich filmische Zeit ja manipulieren, lassen sich öffentliche Uhren mit dem Finger zurückdrehen, wenn man den Film ein bisschen spult.

Vor- und Zurückspulen ist auch das Bauprinzip von »Everything Happens for a Reason« von Florian Schott, einer vom Goethe-Institut geförderten Action-Komödie aus Namibia, die ganz entgegen ihrem Titel ziemlich nachdrücklich beweist, dass eigentlich gar nichts im Leben aus irgendeinem bestimmten Grund geschieht. Jedenfalls nicht an diesem Tag im Leben eines Durchschnittstypen aus Windhoek, der einen Heiratsantrag, einen Handy-Diebstahl, einen schiefgelaufenen Diamanten-Deal und windige Typen in schnittigen Wagen verarbeiten muss. Das alles wird in einer Viertelstunde und einem einzigen Take erzählt. Der allerdings wird in so rasantem Tempo mehrfach vor- und zurückgespult, dass hier garantiert keine Langeweile aufkommt.

28. März bis 5. April, Kino Central, Karten unter Tel. (030) 28 59 99 73