nd-aktuell.de / 02.04.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Gabriel rechnet brutto

EEG-Reformpläne ignorieren technische Entwicklung bei Windkraft

Kurt Stenger
Die Bundesregierung möchte den Ausbau der Windkraft deckeln. Und baut bei ihren künftigen Berechnungen gleich einen Trick ein.

Wenn hierzulande über Brutto- und Nettosummen gestritten wird, geht es meist um die Steuerpolitik. Doch auch in Energiefragen hat diese Unterscheidung mittlerweile große Bedeutung bekommen. Dabei geht es um den weiteren Ausbau der Windenergie an Land. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) möchte diesen bei der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes künftig auf 2500 Megawatt pro Jahr begrenzen. Da der Staat aber lediglich Wünsche äußern und nicht etwa Bauverbote aussprechen kann, soll es sich - wie bereits Praxis im Bereich Photovoltaik - um einen »atmenden Deckel« handeln. Das heißt: Wenn der Zubau die Obergrenze überschreitet, wird die gesetzlich festgelegte Einspeisevergütung für die neuen Anlagen stärker abgesenkt.

Die 2500 Megawatt von Sigmar Gabriel sind allerdings deutlich weniger als 2500 Megawatt. Vielerorts ersetzen nämlich neue leistungsstarke Windräder kleine Altanlagen, was als Repowering bezeichnet wird. Das Ministerium rechnet allerdings brutto, summiert also lediglich die Gesamtleistung der Neuanlagen, obwohl die Windenergie wegen der Stilllegungen netto gar nicht so stark ausgebaut wird. Und wichtig ist doch auch beim Strom, was hinten raus kommt. Das meint zumindest Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD): »Der Deckel für die Windenergie muss zumindest ohne Repowering gerechnet werden«, versuchte der SPD-Politiker am Dienstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu verklickern. »Das wäre kein Königsweg, aber ein erträglicher Kompromiss.« Albig spricht auch für andere Ministerpräsidenten und zahlreiche Bürgermeister im Norden, wo an den Küsten eine neue Infrastruktur bei Häfen und Zulieferfirmen entstanden ist.

Der Trend zum Repowering hängt mit der technischen Entwicklung zusammen. Zur Jahrtausendwende lag die mittlere Nennleistung neu installierter Windräder noch bei rund ein Megawatt - mittlerweile ist die 3-MW-Klasse Standard. Die Anlagenbauer können sogar Giganten mit mehr als 200 Metern Höhe und fast 3000 Tonnen Gesamtgewicht bauen, die es auf eine Leistung von 7,5 Megawatt bringen.

Ein weiterer Grund sind die Probleme, zusätzliche Flächen zu finden - insbesondere aufgrund von Anwohnerprotesten. Das Repowering sorgt für mehr Akzeptanz, weil die Zahl der Windräder sinkt und Kommunen höhere Gewerbesteuereinnahmen verzeichnen. Wegen der vielen Vorteile wird das Vorgehen seit Jahren vom Bundesumweltministerium unterstützt. Die neue Regierung will davon nichts mehr wissen.