nd-aktuell.de / 04.04.2014 / Aus dem Netz gefischt / Seite 17

Urheberschutz für Tweets?

Blogwoche

Jürgen Amendt

Letzte Woche machte sich der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan mit der Sperrung des Kurznachrichtendiensts Twitter bei der digitalen Generation nicht nur in der Türkei unbeliebt. Gilt Twitter doch mittlerweile als eine Art Anheizer jeglicher politischer Rebellion in der Welt. Manche Kulturbeflissene und sicher auch der eine oder andere Feuilletonist mögen insgeheim für Erdoğans Entscheidung Sympathien aufgebracht haben, gelten die maximal 140 Zeichen langen bzw. kurzen Texte als Inbegriff des Verfalls der Schreibkultur. Jeglicher Text aber ist nur insofern Ausdruck von Schriftkultur, als er einen Gedanken in die Welt bringt.

Die Frage, inwieweit das Gezwitscher auf Twitter dazu zählt, muss vorläufig unbeantwortet bleiben, denn noch ist nicht geklärt, ob es sich bei Twitter-Texten um geistige Eigenleistung handelt, die durch das Urheberrecht geschützt ist. Gestellt hat sich diese Frage der Schweizer Rechtsanwalt Martin Steiger in seinem Blog steigerlegal.ch. Ob ein einzelner Tweet überhaupt ein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellt, ist für Steiger allerdings irrelevant. Er verweist auf die Nutzungsbedingungen von Twitter: »Wer Twitter nutzt, unterwirft sich den entsprechenden Terms of Service (Nutzungsbedingungen). Als Gegenleistung für die kostenlose Nutzung lässt sich Twitter von allen Nutzern eine kostenlose Lizenz für die weltweite Verwertung aller Nutzer-Inhalte (›Content‹) einräumen. Diese Lizenz umfasst unter anderem auch die kostenlose Verwertung von Tweets durch Dritte wie beispielsweise Zeitungen.«

Juristisch scheint das also eine klare Sache zu sein: Wer Twitter nutzt, stimmt den Nutzungsbedingungen zu, dass Dritte die Tweets ungefragt weiterverbreiten dürfen, unabhängig davon, wie groß der geistige Eigenanteil an den 140 Zeichen ist. Steigers deutscher Kollege Thomas Stadler widerspricht. Man müsse Tweets, die durch ihre Originalität aus der Masse des Gezwitschers herausstechen, von der Masse des Gebrabbels unterscheiden. »Wenn ein Tweet - was auf die große Masse der Tweets sicherlich zutrifft - nämlich kein urheberrechtlich geschütztes Werk darstellt, dann kann der twitternde Nutzer auch keine Nutzungsrechte im Sinne des Urheberrechts einräumen«, schreibt er in seinem Blog internet-law.de. »Erst dann, wenn ein Tweet ausnahmsweise wegen seiner außergewöhnlichen Originalität urheberrechtlichen Schutz genießt, stellt sich überhaupt die Frage, ob (...) wirksam Nutzungsrechte eingeräumt worden sind.«

Für einen Leser von Stadlers Blog, sind das »juristische Finessen«. Einige »AlltagstwitterInnen« seien »schon ziemlich erstaunt«, wenn sie ihre Tweets in »Leitmedien wie dem ›Handelsblatt‹ oder der ›Zeit‹ einfach abgedruckt sehen. Oftmals mit durchaus erkennbarem Avatar. Und es fühlt sich gelegentlich schon so an, als würden Journalisten/Medien sich unserer Kreativität bedienen und damit ihr Geld verdienen.«