nd-aktuell.de / 04.04.2014 / Politik / Seite 10

Familienzwist um Bildungshäuser

DGB in Schleswig Holstein will drei von acht Standorten schließen / ver.di auf der Barrikade

Olaf Harning
Die Krise und der Preisverfall in der Weiterbildung machen auch vor den Gewerkschaften nicht halt. Schließungspläne des Deutschen Gewerkschaftsbundes sorgen für Streit mit ver.di.

Dicke Luft in der »Gewerkschaftsfamilie«: Weil mit dem Berufsfortbildungswerk (bfw) ausgerechnet ein gemeinnütziges Unternehmen des DGB in Schleswig-Holstein Standorte schließt und Kündigungen verschickt, tritt jetzt die betroffene Einzelgewerkschaft auf den Plan. Nach mehr oder weniger erfolgreichen Sozialplanverhandlungen beklagt ver.di-Sekretär Jens Festersen vor allem die Umgangsformen in der Krise.

»Wir haben einen richtigen Disput miteinander«, so Festersen gegenüber »nd«, »so geht man als Gewerkschaft nicht mit Gewerkschaftsbeschäftigten um.« Etwa 80 der landesweit 120 Mitarbeiter sind von der kürzlich eingeleiteten Restrukturierung des Bildungswerkes betroffen, müssen entweder die Kündigung oder massive Einschnitte bei der Arbeitszeit hinnehmen. Mit seinen Einrichtungen in Flensburg, Pinneberg und Neumünster will das bfw drei von acht Standorten im nördlichsten Bundesland schließen, damit der Krise des Weiterbildungsmarktes Rechnung tragen.

»Das bfw prüft jeden einzelnen Standort nach wirtschaftlichen Aspekten - rechnet sich, rechnet sich nicht«, so Festersen, »das haben wir zu akzeptieren«. Vor diesem Hintergrund habe der Betriebsrat Ende Januar einen letztlich »gar nicht mal so schlechten« Interessenausgleich und Sozialplan ausgehandelt. Anschließend aber sei es vorbei gewesen mit der Einigkeit: »Da finden zugesagte Individual-Gespräche zur Auslotung von Alternativen nicht statt und der Geschäftsstellenleiter tritt in der für seine Beschäftigten schwersten Zeit seinen Urlaub an«, kritisiert der Gewerkschaftssekretär.

Und dann das Ausmaß der Entlassungen: Zum Teil lägen bereits betriebsbedingte Kündigungen zum 30. September 2017 vor - mehr als drei Jahre im Voraus. Beim bfw selbst reagiert man auf die Vorwürfe verschnupft. »Nach all dem, was ver.di an Falschmeldungen veröffentlicht hat«, so Doris Apelt, »wollen wir uns vorerst gar nicht mehr dazu äußern.« Die stellvertretende Leiterin des bfw in Schleswig-Holstein verwies zwar noch an die Zentrale in Erkrath, aber auch dort herrscht angesichts der Vorwürfe eisiges Schweigen.

Hintergrund des Konflikts ist die generell angespannte Lage der Branche: Weil die Hartz-Gesetze Mitte der 2000er Jahre das Ziel einer sozial gesicherten und regulierten Beschäftigung fallen ließen, gerieten auch Teile des Weiterbildungsmarktes unter Druck. Um bis zu 45 Prozent (Berlin) brachen die Teilnehmerzahlen bei geförderten Weiterbildungsmaßnahmen ein, auch Schleswig-Holstein verzeichnete 2004 ein Minus von 27,5 Prozent.

Ein weiteres Problem für die Träger: Als einer der wichtigsten Auftraggeber setzt die Bundesagentur für Arbeit immer häufiger auf den Preis, nicht aber auf die Qualität der Angebote. Auf dem Markt hat deshalb eine Lohnabwärtsspirale eingesetzt, die vor allem den seriösen Anbietern zusetzt: Monatsgehälter zwischen 2800 und 3500 Euro regelt der Haustarifvertrag, den ver.di mit dem bfw abgeschlossen hat, nur rund 2200 Euro beträgt der Branchenmindestlohn. »Die Qualität spielt bei den Ausschreibungen überhaupt keine Rolle mehr«, kritisiert auch Festersen die Vergabepolitik der Bundesagentur, selbst die gute Arbeit der Vorjahre oder vorgehaltene Maschinenparks würden kaum noch berücksichtigt. Daher machten oft Anbieter das Rennen, die sich erst nach dem Zuschlag um Personal und Räume kümmern: »Die mieten dann irgendeine Halle und los geht's«, kritisiert der ver.di-Sekretär.

Dass es jedoch nicht nur die Bundesagentur für Arbeit ist, die den Bildungsträgern zusetzt, verdeutlicht die Neuvergabe von Teilen des Resozialisierungswesens in Nordrhein-Westfalen: Erst Ende Februar verlor das Berufsfortbildungswerk hier die Ausschreibung, jetzt bemühen sich neue Träger um die Beschäftigten der DGB-Tochter - bei monatlich 1000 Euro brutto weniger, versteht sich. Während das Justizministerium so rund acht Millionen Euro spart, ist Uwe Meyeringh fassungslos: »Es ist völlig inakzeptabel«, so der Fachbereichsleiter Bildung, Wissenschaft und Forschung bei ver.di NRW, »dass die Justiz hier faktisch Lohndumping betreibt«.