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Der ewige Karneval

Freitags Woche

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.
Der ewige Karneval

Nun ist es also vorbei, endgültig. Nach gut 200 Sendungen in mehr als drei Jahrzehnten macht Markus Lanz die vermutlich beste Sendung, seit er im Oktober 2012 »Wetten, dass…?« übernahm, und dann bläst der gescholtene Moderator mal eben mitten in den Konfettiregen zum vorgestrigen Finale, dass nach der Sommerpause die letzten drei Folgen dieser großen Unterhaltungsshow Europas kommen. Dass Hape Kerkeling in Offenburg auf dem Sofa saß, war also kein Bewerbungsgespräch, sondern Abgesang. Patient tot, Experiment gescheitert.

So wie das des RTL-Reporters Jenke. Es mag seine Höhen haben, wenn er sich Selbsttests im Kiffen unterzieht, was journalistisch von Wert war, weil es keine reale Situation simulierte, sondern schuf. Sich wie heute Augen und Ohren versiegeln zu lassen, ist hingegen bloß das selbstgerechte Surrogat echter Reportagen, die sich lieber mit Subjekten befassen als sie nachzuäffen. Am Ende liefert der Kölner Krawallkanal eben doch nur ewigen Karneval.

Dem setzen die Öffentlich-Rechtlichen zum Glück wahres Leben entgegen - selbst dann, wenn es fiktional zugeht. Mit der heutigen ARD-Doku »Wer seine Kinder liebt, der züchtigt sie«, in der es ab 23.30 Uhr um die Tradition der Prügelerziehung geht, ebenso wie im Berlinale-Film »Barbara« (Mittwoch auf Arte), wo Nina Hoss aufs Neue belegt, wie reduziert man DDR-Historie spürbar machen kann. Mit einer Themenwoche zur Intelligenz, der 3sat erstaunliche Themen wie »Dumm geboren und nichts dazugelernt« (Donnerstag) und »Affen - einfach genial« (Freitag) hinzufügt, ebenso wie mit Lisa Wagner als »Kommissarin Heller«, die dem ausgelaugten Genre am neuen Krimisamstag im Zweiten tatsächlich neue Seiten abgewinnt.

Irgendwo zwischen Realität und Inszenierung liegen zwei Spartenkanaltalks, die weit mehr Aufmerksamkeit verdienen, als sie kriegen. Morgen um 23.04 Uhr übernimmt der Nachwuchsmoderator Ingmar Stadelmann das Eins-Plus-Radio »LateLine Live« von Jan Böhmermann und braucht dabei nur einen Bruchteil des Potenzials seines Vorgängers, um besser zu sein als diverse Großtalker. An alter Stelle ganz neu ist die wunderbare »Sarah Kuttner plus zwei« bei ZDF neo zu sehen, zum Auftakt am Donnerstag mit Hannelore Elsner und dem Sänger Bosse.

Kaum zu glauben, dass Fernsehen noch besser sein kann. Geht aber. Samstag zeigt Arte den ganzen Tag das dokumentarische Feuerwerk »24 Stunden Jerusalem«. Bei so viel Güte kann man ruhig mal gönnerhaft schweigen über die Masche der ARD, mit dem Mundartkrimi »Frauchen und die Deiwelsmilch« mit Daniela Katzenberger in der Hauptrolle den Ballermannsendern die Zuschauer abzuluchsen - und ganz entspannt auf zweierlei hinweisen: den Start des sogenannten Frauensenders TLC am Donnerstag, der witzigerweise vom gleichen Network erstellt wird wie DMAX. Und den »Tipp der Woche«, Montag auf Arte: »Die Verachtung« von Jean-Luc Godard, eine Satire aufs Filmgeschäft von 1963 mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli.

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