nd-aktuell.de / 08.04.2014 / Politik / Seite 10

Jeder Zweite raucht in Indonesien vor dem zehnten Geburtstag

Mary Assunta und Yosef Rabindanata Nugraba über ihren Kampf gegen die Tabaklobby

Ein internationales Bündnis kämpfte seit November für die Verhinderung der Tabakmesse Inter-Tabac-ASIA 2014 auf Bali, die Ende Februar dieses Jahres von der Messegesellschaft Westfalenhallen Dortmund ausgerichtet werden sollte. Nach massiven Protesten in Indonesien und der Einreichung einer Petition mit 12 000 Unterschriften an die Stadt Dortmund, wurde die Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Mit Yosef Rabindanata Nugraha (l.), der Begründer von »Indonesien Rauchfrei« (Indonesia Bebas Rokok) und Mary Assunta (r.) von der »Südostasiatischen Tabakkontrollallianz« sprach für »nd« Jürgen Weber.

nd: Was hat Sie persönlich motiviert, Indonesia Bebak Rokok (Indonesien rauchfrei) ins Leben zu rufen und gegen die Messe Inter-Tabac ASIA vorzugehen?
Yosef Rabindanata Nugraha: Als ich 13 Jahre alt war, habe ich meine erste Zigarette geraucht, und von Tag zu Tag wurden es mehr. Heute bin ich sehr froh darüber, dass ich es geschafft habe, damit wieder aufzuhören. Die vielen Kinder und Jugendlichen bei uns, die die lokalen Kretek (Nelkenzigaretten) oder die »weißen« Zigaretten konsumieren, müssen vor der Werbung und dem Angebot von Tabakprodukten geschützt werden. Ich hoffe, Indonesien Rauchfrei kann dazu beitragen.

Wie wird sich der erfolgreiche Widerstand gegen die Inter-Tabac ASIA 2014 auf die Forderung nach Regulierung des Tabakmarktes in Indonesien auswirken?
Mary Assunta: Mit der Absage der Inter-Tabac ASIA hat in Indonesien zum ersten Mal die Gesundheit über die Interessen der globalen Tabakindustrie gesiegt. Die indonesische Regierung gilt als besonders tabakfreundlich. Die Entscheidung gegen die Tabakmesse zeigt aber nun, dass auch in Indonesien die öffentliche Gesundheit wichtiger als Konzernprofite ist.

Die Tabakindustrie kann sich auch nicht mehr über bestehende Gesetze hinwegsetzen - die Inter-Tabac ASIA wurde damit beworben, dass es dort erlaubt sei, zu rauchen. Aber auf Bali ist das Rauchen in allen öffentlichen Einrichtungen gesetzlich untersagt.

YRN: Der wachsende öffentliche Druck und die international bekannt gewordene Petition waren letztlich ausschlaggebend für den Erfolg. Alle am Protest Beteiligten haben klar gemacht: Wir wollen diese Messe nicht - keine Unterstützung für die Tabakindustrie in Indonesien und anderswo in Asien.

Wie beurteilen Sie das Verhalten der Stadt Dortmund?
MA: Es hat uns überrascht, dass die Stadt Dortmund trotz der Proteste bis zuletzt darauf bestanden hat, die Messe auszurichten. Deutschland hat sich als Vertragspartner des Rahmenabkommens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Tabakkontrolle (FCTC) dazu verpflichtet, den Tabakkonsum einzudämmen. Daher ist es für uns nicht nachvollziehbar, und wir halten es für unethisch, wenn eine deutsche Kommune zur Ausbreitung des Tabakkonsums in einem asiatischen Land beiträgt. Transnationale Tabakkonzerne nutzen solche Investmentplattformen wie Inter-Tabac ASIA doch gerade zu diesem Zweck. In den vergangenen Jahren haben große Tabakkonzerne viele lokale Tabakunternehmen aufgekauft und ihre Werbekampagnen noch intensiviert - beispielsweise die »Be Marlboro«-Reklame von Philip Morris International auf den riesigen Werbetafeln entlang der Hauptstraßen.

Indonesien hat als einziges Land in Asien das WHO-Abkommen FCTC bisher nicht ratifiziert, mit welcher Begründung?
MA: Es tauchen immer neue sogenannte Frontgruppen auf, die gegen die Forderung nach Marktregulierungen agieren und politische Entscheidungsträger zu beeinflussen suchen. Diese Gruppen werden von der Tabakindustrie aufgebaut und finanziert. Behauptet wird, dass durch Tabakkontrolle Millionen von Tabakanbauern in Indonesien ihren Lebensunterhalt verlieren würden. Die rund 700 000 Tabakanbauer haben jedoch mit ganz anderen Problemen zu kämpfen - Mittelsmänner, die für Tabakblätter Niedrigstpreise bezahlen, und die Industrie, die die Ernte nur teilweise oder gar nicht aufkauft. Dazu kommen die ungünstigen klimatischen Bedingungen für den Tabakanbau. Indonesien baut auch gar nicht so viel an, schon für die lokale Nachfrage reicht es nicht aus, der Import von Tabak steigt jedes Jahr. Heute schon gibt es 65 Millionen aktive RaucherInnen in Indonesien - bei etwa 240 Millionen Einwohnern, Tendenz steigend. Die Tabakanbauer werden in absehbarer Zeit also nicht arbeitslos werden. Ihre Probleme lassen sich mit der Forderung nach mehr Tabakkontrolle nicht in Verbindung bringen.

YRN: Wir fordern in Übereinstimmung mit dem FCTC außerdem von der indonesischen Regierung, alternative Einkommensmöglichkeiten für die Tabakanbauer zu fördern, die aus dem Tabakanbau aussteigen wollen.

Wie begründet die indonesische Regierung ihre starre Haltung gegen das FCTC?
YRN: Die indonesische Regierung hat erst kürzlich darauf verweisen, dass mit der Ratifizierung jährliche Steuereinnahmen von rund 13 Milliarden US-Dollar allein aus der Kretek-Industrie verloren gingen ...

MA: ... dabei verursachen Geschäfte mit den gesundheitsgefährdenden Tabakprodukten überall höhere Kosten, kurz- und langfristig. Die Ausgaben in Indonesien für die medizinische Versorgung von tabakbedingten Krankheiten betrugen 2001 schon rund 14 Milliarden US-Dollar. Eine Studie des Gesundheitsministeriums von 2013 zeigt, dass 37,3 Prozent der männlichen Jugendlichen im Alter von 15-19 Jahren und 3,1 Prozent der Mädchen der gleichen Altersgruppe aktive RaucherInnen sind. Mehr als 30 Prozent aller indonesischen Kinder rauchen ihre erste Zigarette vor ihrem zehnten Geburtstag! Wie können sich da die Steuereinnahmen unter dem Strich positiv auf den Staatshaushalt auswirken?

Wie optimistisch sind Sie heute, dass der Kampf gegen »Big Tobacco« erfolgreich sein wird?
YRN: Die Tabakindustrie wird alles daran setzen, den Protest zu unterlaufen. Aber darauf sind wir vorbereitet.

MA: Und die Politik weiß, dass ihre Entschuldigungen nicht mehr richtig ankommen bei den Menschen. Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, wann Indonesien das WHO-Abkommen ratifizieren wird.