Im Auftrag des Underdogs

Tele 5 persifliert sein Programm mit der Filmreihe »Die schlechtesten Filme aller Zeiten«

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Stell dir vor, du wanderst mit ein paar Freunden am helllichten Tag durch den Wald und hinter der nächsten Tanne lauert eine Horde blutrünstiger Orcs auf dich. Woher die aus Tolkiens »Herr der Ringe« Romantrilogie entsprungenen finsteren Gestalten stammen, warum sie dich jagen und wieso sie dir erst bei schönstem Sonnenschein im Galoppmarsch hinterherennen, um dann nachts vor jedem Scheinwerfer zu flüchten, wie der Vampir vor dem Tageslicht, bleibt bis zum Schluss ungeklärt.

Die Handlung von »Orcs – Sie kommen um uns alle zu töten« ist von Anfang an ein einziger Widerspruch und schaffte es nie auf die Kinoleinwand, aber 2011 dafür auf DVD. Dort wäre der Film wahrscheinlich nur von den härtesten Enthusiasten des cineastischen Trash gefeiert worden, gäbe es da nicht Tele 5. Der Spartenkanal aus München ist dafür bekannt, sich die Ausstrahlungsrechte für Low-Budget-Produktionen in regelmäßigen Abständen gleich dutzendweise im billigen Sparpaket zu sichern.

Fließbandware, produziert und hervorgebracht von denen, die es in Hollywood nicht schaffen, deren Zeit noch nicht gekommen oder bereits längst vorüber ist. Doch wer braucht schon ein großes US-Filmstudio im Hintergrund, wenn es auch für Geschichten jenseits eines Millionenbudgets dankbare Abnehmer wie Tele 5 gibt.

Die Münchner waren in den späten 1980er und Anfang der 1990er Jahre eine sich langsam etablierende ernsthafte Konkurrenz für die gerade erst aufrecht laufen lernende privaten Sendergruppen RTL, Sat.1 und insbesondere für den Spätstarter Pro7. Medienmogul Leo Kirch sah sich deshalb veranlasst, Tele 5 1992 zu übernehmen, um ihn dann kurze Zeit später von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Es dauerte zehn Jahre bis 2002 Tele 5 durch die vor allem mit Filmlizenzen handelnde Tele München Gruppe (TMG) eine neue Chance im Fernsehen eingeräumt bekam.

Die Ausgangslage hat sich dadurch grundlegend geändert: Statt den Millionen eines Silvio Berlusconi, der in den Anfangsjahren durch ein europäisches Netzwerk indirekt an Tele 5 beteiligt war, muss sich der Sender seitdem seine Nische im inzwischen einigermaßen fest verteilten deutschen TV-Markt suchen. Statt der ersten oder zweiten, spielt Tele 5 seit seiner Neugründung irgendwo in der dritten TV-Liga, wo Programmchefs bereits in Jubelstürme ausbrechen, wenn es die Zuschauerzahlen über die Schwelle jenseits der statistischen Fehlertoleranz bei der Quotenbestimmung schaffen. Mit eben dieser Rolle als Underdog – viele Zuschauer wissen wahrscheinlich nicht einmal, auf welchem Programmplatz Tele 5 sein Dasein fristet – kokettiert der Sender seit dem Relaunch 2012 hemmungslos.

Der eher biedere Slogan »Gute Unterhaltung« wurde durch »Leider Geil« abgelöst – ein oxymoronisches Bekenntnis, dass das Fernsehen jenseits des Bildungsauftrags auch einfach unterhaltsam sein darf, selbst wenn die Sendezeit mit dem zwanzigsten 
B-Film über blutlüsterne Monsterhaie gefüllt wird. Während Steven Spielberg mit seinem »Der weiße Hai« 1975 das Genre des Tierhorror-Films noch ernst nahm, unternimmt Tele 5 diesen Versuch erst gar nicht.

Die Personifizierung dieser Haltung mündet schließlich in der Gestalt des Satirikers Oliver Kalkofe und des früheren Gag-Autors von Harald Schmidt, Peter Rüttens. Kalkofe und Rütten moderieren seit 2013 die satirische Filmreihe »Die schlechtesten Filme aller Zeiten« (SchleFaZ), in der jene Streifen, wie der erwähnte »Orcs«-Abklatsch, ihren Sendeplatz finden. Für Tele 5 ist die Reihe ein ironisches Augenzwinkern, denn auch ohne die bissigen, meist zynischen, oft vulgären und gleichzeitig schonungslosen Filmanalysen von Kalkofe und Rütten würden Werke wie der Agentenschinken »Die sieben Männer der Sumuru«, »Mega Piranha« oder »Titanic II« ihren festen Sendeplatz auf dem Spartenkanal finden.

Die beiden Filmkritiker, die zu jeder Sendung einen passenden Cocktail nebst meist passenden Trinkspielen servieren, sichern Tele 5 allerdings Aufmerksamkeit. Ist ein durch die Luft wirbelnder Hai im Anflug, heißt das für den Zuschauer, dass er das Glas auf Ex leeren und dann schnell nachfüllen muss. Ein Bekenntnis zu einer Art von Humor, die sich bewusst auch schlichter Pointen bedient, dabei aber nie Menschen vorführt, wie es andere Unterhaltungsformate tun.

Um letzteres geht es bei SchleFaZ: Lachen und Spaß, wobei es Kalkofe und Rütten es ebenso verstehen, manch vermeintliche Hintersinnigkeit eines Drehbuchschreibers und Regisseurs als Klamauk zu entlarven. Nicht selten mündet deshalb eine Analyse in der unbeantwortet bleibenden Frage, was eine Szene oder gleich der ganze Film ausdrücken wollte. Von so viel Ehrlichkeit können die großen Privatsender nur lernen. Die verkaufen dem Zuschauer bis auf weiteres wirklich jeden schlechten Film mindestens als Event oder Highlight.

»Die schlechtesten Filme aller Zeiten« laufen jeden ersten Freitag des Monats um 22.10 Uhr auf Tele5, das nächste Mal am 2. Mai mit dem Horrorfilm die »Monster des Grauen greifen an«.

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