nd-aktuell.de / 09.04.2014 / Politik / Seite 11

Barrierefreies WC statt großer Debatte

Behindertenparlament in Bremen wird 20 Jahre alt

Alice Bachmann, Bremen

Im Vorfeld der nächsten Sitzung des Bremer Behinderten Parlaments, das dieses Jahr zum 20. Mal tagen wird, versuchen sich die »Mitspieler« zu positionieren. Wobei eindeutig Charlotte Gerlach für die Elbe-Weser Werkstattbeschäftigten bisher am meisten punkten konnte. Sie fordert nämlich den Bremer Senat und die Abgeordneten der Bremischen Bürgerschaft auf, statt an der »UN-Konvention zu kleben«, dringend notwendige konkrete Projekte anzugehen. Ganz konkret ist damit die Situation im Haus der Bremischen Bürgerschaft gemeint: Dort gibt es nämlich kein behindertengerechtes WC.

Das Manko wird auf der Homepage der Bürgerschaft nonchalant so ausgedrückt: Für RollstuhlnutzerInnen und Gehbehinderte sei das WC »eingeschränkt nutzbar«. Was ein echtes Trauerspiel ist, denn in der Hansestadt gibt es schon so lange politische Proteste und Aktionen Behinderter, dass fast von einer Bremer Tradition gesprochen werden kann. Vor 37 Jahren gründete sich als Organisation für Menschen mit einer körperlichen Behinderung in Bremen die erste »Krüppelgruppe« Deutschlands. Und auch das vom Arbeitskreis »Bremer Protest« einmal jährlich organisierte Behinderten Parlament in der Bremischen Bürgerschaft geht ins zweite Jahrzehnt. Diesem temporären Parlament gehören Menschen mit und ohne Behinderung an und es tagt im Haus der Bürgerschaft.

Nun will die grüne Sozialsenatorin Anja Stahmann den Mitgliedern des Behinderten Parlaments zum 20-jährigen Bestehen einen Empfang im Bremer Rathaus ausrichten. Und Wirtschaftssenator Martin Günthner (SPD) schaltete öffentlichkeitswirksam gemeinsam mit dem Landesbehindertenbeauftragten Joachim Steinbrück die neue Internetseite des Stadtführers »Barrierefreies Bremen - Informationen für Alle« frei. Der Landesbehindertenbeauftragte wies bei der öffentlichen Vorstellung des Stadtrührers darauf hin, dass Barrierefreiheit nicht nur für Behinderte wichtig sei, sondern zum Beispiel auch für Ältere oder für Leute, die mit einem Kinderwagen unterwegs sind.

Auch die Bremer Polizei beteiligt sich an den Vorbereitungen auf die nächste Parlamentsrunde: Sie nutzt seit Jahresbeginn Dienstausweise, auf denen in Brailleschrift »Polizei« steht. Und zwei Bremern wurde gerade im Rathaus die vom Bundespräsidenten zuerkannte Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland überreicht, weil sie sieben Jahre lang daran gearbeitet hatten, dass der Schwerbehindertenausweis auf Scheckkarten-Format verkleinert wird. Viele NutzerInnen hatten sich durch den zuvor doppelt so großen Ausweis diskriminiert gefühlt. Denn sobald sie den Ausweis hervorholten, waren sie für alle deutlich als Schwerbehinderte zu erkennen.

Der Behindertenbeauftragte Steinbrück legte auch ein Positionspapier zur Inklusion im organisierten Sport im Land Bremen vor, an dem Bremer Sportverbände für Behinderte und Nichtbehinderte mitgearbeitet haben. Steinbrück sieht, dass schon viel passiert ist bezüglich der Inklusion in Bremer Sportvereinen und -verbänden. Auch konstatiert er einen grundsätzlich offenen Umgang mit dem Thema. Aber der Behindertenbeauftragte drückt auch seine Überzeugung aus, dass in dieser Sache noch ein weiter Weg gegangen werden muss.

Bleibt die Frage, wo Barrierefreiheit eher hergestellt ist - im Bremer Sport oder im Sanitärbereich der Bremischen Bürgerschaft.