nd-aktuell.de / 09.04.2014 / Politik / Seite 6

Bundeswehr soll Terroristen abwehren

Koalition will Grundgesetz für Terrorabwehr im Eilfall ändern

Dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren sind enge Grenzen gesetzt. Jetzt startet die Bundesregierung einen neuerlichen Versuch, diese Grenzen zur Terrorabwehr zu lockern.

Berlin. Die Bundesregierung will den Abschuss von Flugzeugen erleichtern, die von Terroristen als Anschlagswaffe eingesetzt werden. Um für einen solchen Ausnahmefall gewappnet zu sein, wolle die Koalition den Grundgesetzartikel 35 ändern, bestätigte am Dienstag das Bundesinnenministerium einen Bericht von «Spiegel online». Der Verteidigungsminister oder die -ministerin solle demnach im Alleingang einen Einsatzbefehl geben können.

Nach bisheriger Rechtslage darf nur die Bundesregierung als Ganzes über den Einsatz militärischer Mittel zur Terrorabwehr im Inland entscheiden. Diese Regelung geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Sommer 2012 zurück. Die im Luftsicherheitsgesetz für Eilfälle vorgesehene alleinige Entscheidungsbefugnis des Verteidigungsministers hatten die Richter damals aber für nichtig erklärt.

Seit dem Urteil war der Einsatz von Kampfjets gegen entführte Flugzeuge zwar im Notfall erlaubt, aber dennoch nahezu ausgeschlossen: Für eine Befassung des gesamten Kabinetts mit dem Einsatz gegen ein entführtes Flugzeug wäre im Ernstfall kaum genügend Zeit gegeben.

«Wir müssen diese Lücke schließen», sagte Innen-Staatssekretärin Emily Haber in Berlin. In der Sache sei das Vorhaben der Großen Koalition aber «nichts Neues». Die Koalition reagiere damit auf das Karlsruher Urteil vom vergangenen Jahr.

Das Bundesverfassungsgericht hatte sein Urteil auf Artikel 35 des Grundgesetzes bezogen. Dort ist bislang festgelegt, dass bei Naturkatastrophen oder Unglücksfällen nur «die Bundesregierung» den Streitkräfteeinsatz zur Unterstützung der Länderpolizeien befehlen darf. Diese Vorgabe will die Große Koalition nun ändern.

Die Neuregelung könnte es nach Informationen von «Spiegel online» dem Verteidigungsminister oder der Ministerin alleine ermöglichen, in alleiniger Entscheidung Kampfjets aufsteigen zu lassen, um ein entführtes Flugzeug abzudrängen oder mit Warnschüssen zur Landung zu zwingen. Befänden sich in einer Maschine oder einem Kleinflugzeug ausschließlich Terroristen, wäre als letztes Mittel der Gefahrenabwehr auch ein Abschuss denkbar.

Die Grünen lehnen dieses Vorhaben ab. Es sei völlig unverhältnismäßig sei, einer einzelnen Person eine solch umfassende Kompetenz einzuräumen, sagte die Obfrau der grünen Fraktion im Bundestags-Innenausschuss, Irene Mihalic, gegenüber der «Mitteldeutschen Zeitung. »Zudem wäre eine gesetzliche Erlaubnis zum Abschuss eines entführten Flugzeugs durch die Bundeswehr, in welchem sich die Besatzung und unbeteiligte Passagiere befinden, mit dem Grundgesetz ohnehin völlig unvereinbar«, erklärte sie dem Blatt.

Bedenken gibt es auch in der SPD, dass eine Grundgesetzänderung den Einsatz der Bundeswehr im Inneren auch zu anderen Zwecken erleichtern könnte. Innenexperte Michael Hartmann sagte »Spiegel online«: »Man kann so eine Neuregelung machen. Aber niemand sollte glauben, dass damit das Einfallstor für einen generellen Bundeswehreinsatz im Inneren auch nur einen Spalt weit geöffnet werden kann«, sagte er.

Für die Änderung des Grundgesetzes sind Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat erforderlich. Im Bundestag verfügt Schwarz-Rot über eine solche Mehrheit. Agenturen/nd