nd-aktuell.de / 15.04.2014 / Politik / Seite 5

Geld für Militär hat mit Sicherheit nichts zu tun

120 Aktionen in 36 Ländern finden am weltweiten Aktionstag gegen Militärausgaben statt - LINKE plädiert für radikale Kürzung des deutschen Militärhaushalts

Stephan Fischer
Deutschlands Rüstungsindustrie profitiert von steigenden Militärausgaben - vor allem in Nordafrika.

»Wissen Sie, was mit Ihren Steuern passiert? Von jedem Dollar Einkommenssteuer werden 27 Cent für militärische Zwecke ausgegeben, aber nur zwei Cent für Bildung.« Zu lesen sind die Worte auf einem Flugblatt, wie es zum 4. Globalen Aktionstag gegen Militärausgaben in St. Louis, Missouri verteilt wird. Ein Friedensmarsch im kenianischen Nairobi, ein öffentliches Symposium im japanischen Parlamentsgebäude in Tokyo oder eine Mahnwache für die Opfer der niederländischen Rüstungsexporte: In 36 Ländern demonstrierten am Montag Menschen mit 120 Aktionen von über 100 Organisationen gegen die weltweit auf höchstem Niveau verharrenden Rüstungsausgaben, die 2013 nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI bei 1,75 Billionen Euro lagen. Mit Abstand die höchsten Ausgaben für das Militär weisen weiterhin die USA auf, die »Rüstungsweltmeister und -olympiasieger gleichzeitig sind«, so Reiner Braun, Vorsitzender der IALANA, der Juristen gegen Atomwaffen.

Laut Paul Walker, US-amerikanischer Politikwissenschaftler und Aktivist gegen Chemiewaffen, ist das US-Verteidigungsbudget von 225 Milliarden Dollar im Jahr 1995 auf heute fast 600 Milliarden gestiegen. Walker, der selbst bis 1995 im Streitkräfteausschuss des Repräsentantenhauses mitarbeitet, erläutert, warum die Militärausgaben trotz Schuldenobergrenzen und automatischen Budgeteinschnitten nicht sinken: »Die Obama-Regierung steht zwar unter hohem Druck, die Bundesausgaben, und damit auch die Ausgaben für das Militär, zu senken. Das ist aber schwierig, da die Vereinigten Staaten sehr stark von den hohen Militärausgaben abhängig sind. Überhaupt nicht aus militärischen Gründen, sondern aus sozio-ökonomischen Gründen.« Der übergroße Teil der Ausgaben habe überhaupt nichts mit der nationalen Sicherheit, sondern mit Jobs in den Staaten zu tun.

Die Konversion des sehr militärisch geprägten Budgets in einen produktiveren, zivileren Haushalt bliebe die größte Herausforderung: Heute würden mehr als die Hälfte aller frei verfügbaren Mittel des US-Haushalts für militärische Zwecke ausgegeben.

Jan van Aken, stellvertretender Parteivorsitzender der LINKEN und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages, lenkt den Blick auf den deutschen Anteil der weltweiten Militärausgaben: »Warum ist Deutschland auf Platz sieben?« 2012 lag die Bundesrepublik Deutschland noch auf dem neunten Platz weltweit. »Deutschland ist von Freunden umzingelt und in einer solchen Sicherheitssituation sind wir als LINKE nach wie vor dafür, den Militärhaushalt radikal zu kürzen. Unser Vorschlag der jährlichen Kürzung um zehn Prozent besteht weiter, sie würde an unserer Sicherheitssituation überhaupt nichts ändern.«

Van Aken fügt hinzu: »Eigentlich muss heute ein Festtag im Hause Gabriel, dem Wirtschaftsministerium, sein.« Denn natürlich hätten auch die gestiegenen Militärausgaben in anderen Staaten ganz viel mit Deutschland zu tun. Er verweist auf Algerien und Ägypten, deren Militärausgaben laut SIPRI im letzten Jahr massiv gestiegen seien. Allein Algerien hätte in den letzten beiden Jahren deutsche Waffenexportgenehmigungen im Wert von knapp einer halben Milliarde Euro bekommen. Für Schiffe, gepanzerte Fahrzeuge und ganze Panzerfabriken »made in Germany«. Im Falle Ägyptens sei Deutschlands Position »heuchlerisch«: Während der deutsche Zoll die Lieferung von polnischen Panzerfahrzeugteilen im Hamburger Hafen blockiere, vergebe die Bundesregierung gleichzeitig die Genehmigungen für den Bau von zwei U-Booten und bürge sogar noch mit 700 Millionen Euro dafür. »Das ist eine absurde Situation«, so der LINKEN-Politiker.

Michael Kellner, politischer Geschäftsführer der Grünen, forderte mit Blick auf die Verfassungsklage von Bundestagsabgeordneten zu den Rechten der Abgeordnete Änderungen im Umgang mit Rüstungsexporten: Der Bundestag sollte vorher über anstehende Exportentscheidungen informiert werden und außerdem ein Vetorecht erhalten. Kellner plädierte außerdem für das Verbot von Hermes-Botschaften.