Im dunklen Reich des Oologen

In Halle lagert eine der wichtigsten Eiersammlungen

  • Petra Buch, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein riesiger Schatz liegt im Dunkeln. UV-Licht ist tabu, Erschütterungen kämen einem Drama gleich: »Damit würde man den wissenschaftlichen Wert der Vogeleier sofort kaputt machen«, sagt der Biologe Frank Steinheimer von der Martin-Luther-Universität in Halle (Sachsen-Anhalt). Dort hüten Wissenschaftler nach eigenen Angaben eine der bedeutendsten Eiersammlungen weltweit.

Die oologische - also eierkundliche - Vergleichssammlung umfasst rund 20 000 Eier von knapp 4000 Arten. Die meisten stammen aus der Sammlung des Eierforschers Max Schönwetter (1874-1961), die nach dem Tod des Vermessungsingenieurs aus Thüringen nach Halle kam. Dazu zählt ein Ei vom kleinsten Vogel der Welt, der Bienenelfe, einer Kolibri-Art. Es ist so klein wie eine Erbse, etwa fünf Millimeter lang und wiegt zwischen 0,25 und 0,4 Gramm.

Das größte Ei der Sammlung stammt vom ausgestorbenen Madagaskarstrauß. Es war ursprünglich 30 Zentimeter lang und 23 Zentimeter breit und hatte einen Inhalt von acht Litern - das entspricht 148 Hühnereiern, sagt Wolf-Rüdiger Große, Leiter der Zoologischen Sammlung der Universität.

Nur unter strengsten Auflagen und für Wissenschaftler ist die Vogeleiersammlung zugänglich. »Für jedes Ei braucht man eine Genehmigung«, sagt Steinheimer. »Wir wissen von jedem Ei, von welchem Vogel es stammt«, erklärt er mit Blick auf die akribische Dokumentation. Farblich sind die Eier sehr unterschiedlich, ob beige, mit Pünktchen oder schwarzbraun. Die Exemplare dienen etwa zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über ausgestorbene Arten, Brutdaten oder den Einfluss von Umweltgiften auf die Vogelwelt.

»Das kann man an den Eiern alles erkennen«, sagt der Forscher. Mit wissenschaftlichen Methoden sei es möglich, etwa anhand der DNA die Verwandtschaftsverhältnisse von Vogelarten zu rekonstruieren, die selten sind oder gar ausgestorben. »Wir haben in Halle Anfragen von Forschern aus der ganzen Welt«, sagt Steinheimer. Die Eier könnten auch Aufschluss geben über Umwelteinflüsse und Klimawandel.

Die ältesten Exemplare der Sammlung sind rund 200 Jahre alt. Zu den Schätzen gehöre auch ein Ei der mittlerweile ausgestorbenen Wandertaube, die einst in Nordamerika in riesigen Schwärmen lebte. »Die Wandertaube wurde im 19. Jahrhundert extrem gejagt, weil sie als Ernteschädling angesehen wurde«, sagt der Wissenschaftler.

Die Schönwetter-Sammlung aus Halle wurde 2012 in die Liste des national wertvollen Kulturgutes aufgenommen. In Fachkreisen sind wissenschaftliche Eiersammlungen vor allem in England und den USA bekannt. Auch in Deutschland haben sich einige große Museen dem Sammeln von Eiern verschrieben. So hat das Museum für Naturkunde in Berlin nach eigenen Angaben 40 000 Stück, also knapp 20 000 mehr als Halle, das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn sogar 60 000.

Doch es käme bei einer Sammlung nicht unbedingt auf Quantität, sondern eher auf Qualität der Exemplare an, erklärt die Kuratorin der Ornithologischen Sammlung des Museums für Naturkunde in Berlin, Sylke Frahnert. So gelte eine Sammlung dann als bedeutend, wenn sie gut datiert sei und alte Funde besitze oder solche aus Regionen, aus denen es nur wenige Objekte gebe. Das sei in Halle der Fall. dpa/nd

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