nd-aktuell.de / 22.04.2014 / Kommentare / Seite 4

Fast wie ein Mensch

Für Andreas Korsitka war gerade durch die Aktivitäten des Papstes dieses Osterfest eines der schönsten überhaupt

Nun ist es leider vorbei, aber es war eines der schönsten Osterfeste, das wir jemals feiern durften. Deutschland geht es wirtschaftlich wieder blendend, und das merkte man. Bunt bemalte Hühnereier hier, Marzipaneier dort und Eierlikör anderswo - nie wurde es opulenter gefeiert: das Jubiläum, an dem Jesus ans Ei geschlagen wurde. Doch wir sollten in den Stunden, in denen wir uns massenweise Salmonellen einverleiben, auch an die Menschen denken, denen es nicht so gut geht. Sie sind alt, schwach und sehr, sehr arm, sprich sie sind Papst Franziskus. Und gerade der hatte zu Ostern eine Menge Stress.

Bild.de listete seinen strengen Zeitplan für uns auf. Er enthielt unter anderem die Chrisam Messe, die Karfreitagsliturgie, das Urbi et Orbi und das Regina-Caeli-Gebet aber erschreckender Weise keinen Programmpunkt wie beispielsweise gemütliches Abkoten bei gleichzeitiger Lektüre der neuesten Supermarktangebote.

So ein Curriculum widerspricht jedweder Natur eines 77-Jährigen. Wohl auch deshalb wurde der »Mensch des Jahres« (Time) nicht müde, die Gläubigen zu bitten, ihn in ihre Gebete aufzunehmen. Mit dieser Rückendeckung gelang es dem »Pontifex der Bescheidenheit« (Süddeutsche), die an ihn gestellten Herausforderungen mit Bravour zu meistern. Nur wenige Bettler beschwerten sich, dass die ihnen zuteil gewordene Fußwaschung etwas schlampig erfolgte und dass die Fußküsse letztes Ostern irgendwie mit mehr Zunge waren.

Alles in allem blieb das Fest 2014 trotzdem ein voller Erfolg. Das ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der neue Papst ein pfaffengeiles erstes Jahr abgeliefert hat. Erst machte er die Schwulenlobby im Vatikan fertig und später lief er zwar nicht wie Jesus über das Wasser aber immerhin »in schwarzen Gesundheitsschuhen herum« (Süddeutsche). »Lange nicht mehr war die katholische Kirche so spannend wie jetzt«, stellte demzufolge der bei der SZ eigens für euphorisch ausgelebten Katholikenfimmel abgestellte Matthias Drobinski mit aller gebotenen geistigen Entrücktheit fest.

Jorge Mario Bergoglio ist nicht nur Papst. Wenn ihn Briefe erreichen, dann ruft er die Schreiber auch gern mal einfach so zurück. Das macht ihn mindestens genauso selig wie die Mitarbeiter der OVB Vermögensberatung AG. Wenn er mal wo hin will, dann nimmt er - einfach so - seinen Ford Focus, und er putzt sich zweimal täglich die Zähne. Fast wie ein ganz normaler Mensch! Wenn bekannt würde, dass er immer sein Obst vor dem Verzehr wäscht und in die Armbeuge niest, dann würde er wohl noch zu Lebzeiten heiliggesprochen.

Doch Franziskus ist noch viel besser, als man nach der Aufzählung dieser rührenden Fakten erwarten könnte. Denn der »neue Papst spricht als Christ auch für die Nichtchristen« (Zeit). Also für uns alle! Wenn er die französische Regierung auffordert, die Gesetze zur Einführung der Homoehe, zur Legalisierung der Abtreibung und der Sterbehilfe zurückzunehmen, dann nur, weil wir so extrem verbiesterte, konservative Arschlöcher sind. Kirchenkritik fängt also erst einmal bei uns selbst an. Und wer frei von Schuld ist, der kann ja als erstes dem »Reformer, wenn nicht gar Revolutionär« an den Kopf werfen, dass er ihn in keiner Weise als »offen, demütig, Verkrustungen aufbrechend« (Spiegel) empfindet.

Das wird natürlich nie geschehen, und es bleibt zu hoffen, dass dem Papst seine restliche Amtszeit weiterhin so leicht von der Hand geht, wie man einen argentinischen Dissidenten während der Zeit der Militärjunta aus dem Flugzeug schubsen konnte. Zu wünschen wäre ihm zudem, dass er auch weiterhin so brillante Ideen hat, wie die Gläubigen zu ihrer Sexualmoral zu befragen. Dann stehen uns sicherlich noch viele wunderbare Osterfeste bevor. Das Wichtigste aber wird sein, den Zölibat aufrecht zu erhalten. Denn nur so garantiert man die aus dem Kalauer so bekannten dicken Eier.