Tückisches Dezemberfieber

Wie Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister die Opposition gegen sich aufbringt

  • Bettina Grachtrup, Stuttgart
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Stuttgarter Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat ein Problem: Ausgerechnet im Autofahrerland Baden-Württemberg wurden offenbar Finanzmittel für den Straßenbau nicht abgerufen.

Als Winfried Hermann nach dem grün-roten Regierungswechsel in Baden-Württemberg Verkehrsminister wurde, war die Skepsis in der SPD groß. Der Grüne galt als prominenter Gegner des Bahnprojektes Stuttgart 21. Mit der Volksabstimmung im Herbst 2011 war dann aber klar, dass der Tiefbahnhof kommt. Hermann muss seitdem beim Bau des umstrittenen Projektes mithelfen. Öffentlich gibt sich der Parteilinke hier keine Blöße mehr. In einem anderen Bereich aber bot er zum Vergnügen der oppositionellen CDU in den vergangenen Wochen eine offene Flanke: in der Straßenbaupolitik.

Es ging um die Mittel, die Baden-Württemberg im Jahr 2013 vom Bund erhalten hat oder besser: nicht erhalten hat. Die CDU behauptete, das Bundesland habe auf »mindestens 100 Millionen Euro« verzichtet. CDU-Abgeordnete rechneten in ihren Wahlkreisen vor, welche Straßenbauprojekte mit diesem Geld hätten verwirklicht werden können. Im Autofahrer- und Industrieland Baden-Württemberg ist das Thema keine Petitesse: Die Nachricht fand weite Beachtung und nährte den ohnehin seit Langem schwelenden Verdacht, dass der Grünen-Politiker Hermann kein Faible für den Straßenbau habe.

Hermann räumte ein, dass von 830 Millionen Euro des Bundes 15 Millionen nicht verbaut wurden und deshalb zurückgegeben werden mussten. Auch profitierte das Land nicht vom sogenannten Dezemberfieber-Geld, das der Bund kurzfristig aus dem Topf ungenutzter Mittel verteilt. Der Minister begründete dies damit, dass die Straßenbauverwaltung nach den Personalkürzungen der Vorgängerregierungen am Anschlag sei und nicht mehr Geld verbauen könne. Die von der CDU genannten 100 Millionen Euro hält er für Spekulation, da unklar sei, wie viel Geld überhaupt im Bundestopf war. Und um mehr Geld zu verbauen, hätte der Bund erst weitere Baufreigaben erteilen müssen.

Tatsächlich hat Hermann das Ende der »Spatenstich-Politik« eingeläutet. Er will - anders als früher die CDU - keinen Baubeginn feiern, wenn die Finanzierung des Projekts nicht sicher ist. Vom Bund erwartet er deshalb eine verlässliche Planung. »Sonst wird zu oft auf die Schnelle Steuergeld für Projekte rausgeworfen, die nicht durchfinanziert sind«, sagte Hermann kürzlich der »Südwest Presse«. »Da bringt der Spatenstich kurz Applaus, schafft dann aber Frust, wenn der Bau stockt.« Jedoch fuhren andere Bundesländer mit ihrer Strategie 2013 offenkundig besser: Die FDP verwies darauf, dass Bayern 140 Millionen Euro an sogenanntem Dezemberfieber-Geld abgriff, Hessen 47 Millionen Euro und Niedersachsen 80 Millionen Euro.

Die Gewerkschaft BTBkomba, die die Beschäftigten in der Verwaltung des öffentlichen Dienstes vertritt, hält auch eine andere Ansage Hermanns für hinderlich: »Dass die regulären Bundesmittel für den Straßenbau 2013 nicht ausgegeben werden konnten, liegt auch an der strikten politischen Vorgabe Sanierung vor Neubau«, kritisiert sie. Straßen oder Brücken zu sanieren, binde einen sehr hohen Personalanteil. »Hier ist eine Lockerung der politischen Vorgabe unerlässlich, wenn man nicht weiterhin reguläre Investitionsmittel des Bundes zurückgeben möchte.«

Der Vorgang wird auch innerhalb der grün-roten Landesregierung als peinlich bewertet. »Das darf nicht noch einmal passieren«, ist man sich dort einig. Hermann müsse auch mal in Kauf nehmen, dass er ein Straßenbauprojekt beginne und möglicherweise mit Landesmitteln zwischenfinanzieren müsse.

Auch wird das Krisenmanagement des Ministers als nicht optimal bezeichnet. Teile der Grünen versuchen aber auch, das Ganze als Kampagne der CDU abzutun. Befürchtungen, das Thema könne den Grünen bei der Kommunalwahl am 25. Mai auf die Füße fallen, tritt Verkehrsstaatssekretärin Gisela Splett (Grüne) entgegen: »Ich glaube, es ist für die Grünen vor Ort kein großes Problem. Wir haben uns nie als die Straßenbaupartei Nummer eins dargestellt.« dpa/nd

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