Glocken gegen Neonazis

Nachspiel für NPD-Blockierer auch in Regensburg: Die Polizei ermittelt

  • Hans Canjé
  • Lesedauer: 3 Min.
Sich Neonazis entgegenzustellen, ist eine Tat zivilen Mutes. Aber zuweilen auch Anlass für Behörden, eine Straftat zu vermuten. Nach den Blockaden von Aufmärschen in Dresden, aber auch andernorts.

Die Regensburger Kriminalpolizei ist derzeit arg beschäftigt. Nicht dass die Kurve der kriminellen Straftaten dort besonders steil nach oben zeigte. Sorge bereiten vielmehr Bürgerinnen und Bürger, die derzeit wegen eines »Vergehens« am 5. September 2013 ins Verhör genommen werden. Die Zahlen schwanken zwischen zehn bis zwanzig. Es können aber auch bis zu 100 Bürger sein, die verdächtigt werden, sich an diesem Tag der »Begehung einer Straftat« schuldig gemacht zu haben. Näheres ergibt die gründliche Auswertung der Aufnahmen, die das polizeiliche Kamerateam fürsorglich bei besagtem »Vergehen« gemacht hat.

Die Ermittlungen gegen Dompropst Dr. Wilhelm Gegenfutnerm immerhin sind inzwischen eingestellt worden. Der hatte die Domglocken läuten lassen, als die NPD vor dem Domportal eine genehmigte Kundgebung abhalten wollte, nachdem Blockierer ihr den Weg zum ursprünglich vorgesehen Kundgebungsplatz auf dem Kohlenmarkt verwehrt hatten. Die Glocken sollten, sagte der Kirchenmann, »die dummen Parolen der NPD« übertönen. Das hatte ihm eine Strafanzeige der Rechten eingebracht

Mindestens 2000 Regensburgerinnen und Regensburger - von der Antifa bis zur CSU - hatten an der Demonstration gegen die NPD teilgenommen. Als die schließlich ihre vom Protestlärm übertönte Veranstaltung beendete und den Domplatz verlassen wollte, beteiligten sich nach einem Bericht von »Regensburg Digital«. mindestens 100 Menschen an einer Sitzblockade. Darunter auch der Gewerkschaftssekretär Andreas Schmal, mehrere Lokalpolitiker, Ortsvorsitzende der Regensburger SPD, der damalige FDP-Kreisvorsitzende Michael Feil. Oder auch mehrere Mitglieder der Piratenpartei. Andreas Schmal gehört zu den »10 bis 20« Bürgern der Stadt, die Anfang Februar laut Polizeisprecher Albert Brück Vorladungen der Kriminalpolizei zur Vernehmung erhalten haben. In den Schreiben heißt es unter anderem: »Es wird Ihnen zur Last gelegt, sich am 05.09.2013 in Regensburg an einer Sitzblockade beteiligt zu haben, die letztlich zur Folge hatte, dass Versammlungsteilnehmer der NPD, nach Beendigung ihrer angezeigten Versammlung auf dem Domplatz, mit einiger Verspätung abreisen konnten.«

Unter »Hinweis auf die Begehung einer Straftat bei Nichtbefolgen« hatte die Polizei laut »Regensburg Digital« die Blockade schließlich mit Gewalt geräumt. Pfefferspray und Schlagstöcke kamen dabei auch gegen unbeteiligte Passanten zum Einsatz. »Sich Nazis in den Weg zu stellen ist,« so Schmal, » legitim und demokratische Pflicht.« Jetzt, solle »mit einer Anzeigenflut von der tendenziell unsouveränen Vorgehensweise der Einsatzleitung abgelenkt werden«.

Die Polizei bezeichnete ihr Vorgehen allerdings als vollen Erfolg. Ihr »Konzept sei aufgegangen«, sagte Polizeidirektor Wolfgang Mache Anfang April während einer Podiumsdiskussion. Unter dem Titel »Grenzen setzen! Handlungsweisen für Bürger/innen und Kommunen im öffentlichen Raum«, hatte dazu das Evangelische Bildungswerk eingeladen. Dabei sah sich der Polizeidirektor wegen des massiven Vorgehens seiner Truppe »heftigen Angriffen aus dem Publikum ausgesetzt«. Mache belehrte das Publikum über die geltenden »rechtsstaatlichen« Spielregeln: »Man wird sich in der Bevölkerung daran gewöhnen müssen, dass auch die Polizei an die Rechtsordnung gebunden ist.« Und die lautet: »Wir hatten überhaupt keinen Spielraum. ... ob uns das gefällt oder nicht.«

Am Ende der nun laufenden Ermittlungen wird sich laut Polizeiauskunft die Staatsanwaltschaft der »Sache« annehmen und über die Eröffnung eines Verfahrens entscheiden. Andreas Schmal bleibt gelassen: »Was auch immer geschieht, ich werde mich mit allen juristischen Mitteln zur Wehr setzen, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht«, sagte er der »Mittelbayerischen Zeitung«. Ähnlich sehen das die weiteren Postempfänger. Ein Bündnis der DGB-Region, dem Frauenzentrum, sozialen Initiativen und den Kreisverbänden der Partei DIE LINKE sowie der Piraten empfiehlt den Betroffenen, gegenüber der Polizei jegliche Aussage zu verweigern, weil dies »vom Gesetz her nicht notwendig ist«.

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