nd-aktuell.de / 23.04.2014 / Politik / Seite 2

Der Rausch fürs Taschengeld

Zehn Millionen Menschen in Deutschland trinken zu viel Alkohol. Denn der ist billig.

Simon Poelchau

Deutschland einig Trinkerland, könnte man in Anlehnung an eine Zeile aus »Auferstanden aus Ruinen« sagen. Denn mit einem durchschnittlichen Jahreskonsum von 9,5 Liter Reinalkohol sind die Bundesbürger auf Platz fünf der OECD-Staaten. Dies geht aus dem »Jahrbuch Sucht 2014« hervor, das die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) am Dienstag vorstellte. Nur in Luxemburg, Frankreich, Österreich und Estland wird mehr getrunken.

»Deutschland ist alkohol- und tabakpolitisch ein Entwicklungsland«, sagt die stellvertretende DHS-Geschäftsführerin Gabriele Bartsch. So sind die Regeln für Bewerbung und Abgaben von Zigaretten und Tabakprodukten in Deutschland besonders lasch: Deutschland liegt auf der sogenannten OECD-Tabak-Kontrollskala nach Österreich auf dem drogenpolitisch letzten Platz.

Was den Alkohol zur Volksdroge Nummer eins macht, ist neben den fehlenden Kontrollen bei der Abgabe vor allem der Preis. Innerhalb der letzten 40 Jahre sind alkoholische Getränke nach Angaben der DHS im Vergleich zu anderen Gütern um 30 Prozent billiger geworden. »Alkohol ist so billig, dass es taschengeldkompatibel ist«, meint Bartsch. Und das hat Folgen: Knapp 1,8 Millionen Menschen sind in Deutschland alkoholabhängig, rund zehn Millionen Menschen konsumieren Alkohol in Mengen, die als riskant gelten.

Dabei macht die äußerst niedrige Alkoholsteuer den Schluck aus der Pulle besonders billig. Nicht einmal 10 Cent beträgt der Steueraufschlag auf des Deutschen liebstes Getränk, das Bier, und liegt damit weit unter dem EU-weiten Mittelwert von rund 36 Cent. Unterdessen gibt es eine Weinsteuer hierzulande lediglich auf dem Papier. Denn seit Jahrzenten ist der Steuersatz auf vergorenen Traubensaft auf null Euro festgelegt. Mit Ausnahme von Sekt und Co. sind damit in Deutschland die Steuern auf alkoholische Getränke niedriger als im EU-weiten Durchschnitt.

Die DHS schätzt indes, dass sich die Folgekosten des übermäßigen Trinkens in Deutschland auf 26,7 Milliarden Euro belaufen. Dem gegenüber stehen Einnahmen aus der Alkoholsteuer in Höhe von lediglich 3,3 Milliarden Euro.