nd-aktuell.de / 26.04.2014 / Kommentare / Seite 17

Sieben Tage, sieben Nächte

Gabi Oertel

Bisweilen machen wir Journalisten uns - vornehmlich um Feste wie Weihnachten oder Ostern - Sorgen wegen drohender innenpolitischer Themenarmut. Eine Nachrichtenflaute aus dem Ausland gibt es ja seit Jahrzehnten nicht, weil irgendwo immer gebombt, gemordet, gestritten wird. Aber im kuscheligen Deutschland, das seine Hände zwar bei vielen Krisen auf Erden irgendwie im Spiel hat, ist an christlichen Feiertagen daheim ziemlich Pumpe. Die Agenturen verkünden in ihren Vorschauen dann nicht selten: keine vorhersehbaren Ereignisse. Das ist die euphemistische Umschreibung dafür, dass die uns immer so eifrig mit Schlagzeilen versorgenden Politiker ihre Hetzjagd um öffentliche Wirkung unterbrochen haben, in ihre Familien abgetaucht sind und ihre großen Sprüche vorübergehend nur im kleinen Kreis absondern.

Aber die Erfahrung lang gedienter Kollegen lehrt, dass den Verheißungen von Ruhe kein Glauben zu schenken ist. Denn gerade dann schlägt die Stunde der richtigen Profis, deren Talent auf den hinteren Bänken im Bundestag bislang verkannt wurde oder die aus entfernteren Regionen ihre bundespolitischen Ambitionen signalisieren.

Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein ist einer von ihnen. Pünktlich im Osterloch platzierte Torsten Albig seinen Vorschlag, eine 100-Euro-Sonderabgabe für die Reparatur von Straßenschäden zu erheben. Der fand prompt auf den Titelseiten der Tageszeitungen als »Schlagloch-Soli« oder »Asphalt-Steuer« hinreichend Beachtung, warf gar manch anderen Politiker, die Autolobby und die kraftfahrende Bevölkerung zuhauf aus dem kuscheligen Osternest und animierte sie alle, anders als vorgesehen herumzueiern. Selbst der über Monate scheintote ADAC schien kurzzeitig österliche Wiederauferstehung zu feiern und meldete Protest an. Andere sprangen dem SPD-Politiker von der Förde bei, den die »Welt« sogar als »Seehofer des Nordens« geadelt hatte.

Albig mögen der gelungene PR-Coup in eigener Sache gefreut und Wider- wie Zuspruch gebauchpinselt haben. Nicht zuletzt, weil er seinen Parteichef mit der eher unpopulären Forderung bis nach China zu verfolgen vermochte, wo der Vizekanzler und Wirtschaftsminister unter anderem - man glaubt es kaum - auf einer Automesse in Shanghai die Interessen der deutschen Industrie vertrat.

Sigmar Gabriel jedenfalls reagierte genau so, wie Albig erst unlängst in einem Interview den hauptstädtischen Politikbetrieb charakterisierte: »mimosig«. Und pfiff den Spitzenmann aus dem deutschen Nordwesten vom Reich der Mitte aus zurück in den Kreis der sozialdemokratischen Gutmenschen. Wer sagt, es gäbe irgendwann hierzulande »keine vorhersehbaren Ereignisse«, der hat keine Ahnung - von deutscher Politik und vom Zeitungsgeschäft. oer