Sehnsucht nach Weihnachten

Die Schausteller gehen mit gemischten Erwartungen in die neue Saison - auch in Volksfestländern wie Bayern

  • Lesedauer: 3 Min.
Ob Riesenrad- oder Losbuden-Betreiber - Schausteller erleben schwierige Zeiten. Immer mehr Volksfeste verschwinden und von Jahr zu Jahr besuchen weniger Menschen die Rummelplätze.

Nürnberg. Das Volksfeststerben und sinkende Besucherzahlen auf deutschen Rummel- und Kirmesplätzen stellen Schausteller nach Verbandseinschätzung vor immer größere Herausforderungen. Viele Schausteller setzten daher immer mehr auf die seit Jahren boomenden Weihnachtsmärkte, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Schaustellerbundes (DSB), Lorenz Kalb, der dpa zum Auftakt der Volksfestsaison. Auf diese Weise hätten sich bislang Umsatzeinbrüche im klassischen Volksfestgeschäft weitgehend ausgleichen lassen.

»Die Beteiligung an Weihnachtsmärkten wird für Schausteller sehr wichtig. Ohne Weihnachtsmärkte gäbe es heute viele Schaustellerbetriebe nicht mehr«, erklärte Kalb, der auch Vorsitzender des Süddeutschen Schaustellerverbandes ist. Viele Schausteller hätten ihre Stände inzwischen nachgerüstet. Einer Umfrage des DSB aus dem Jahr 2012 zufolge beschicken inzwischen 90 Prozent aller Schausteller auch Weihnachtsmärkte. Im Jahr 2013 dürfte der Umsatz der Branche nach Verbandsschätzung leicht unter dem Niveau von 2012 gelegen haben; damals hatten die 4950 deutschen Schaustellerbetriebe mit ihren knapp 23 000 Beschäftigten einen Umsatz von 3,7 Milliarden Euro erwirtschaftet. Gut eine Milliarde Euro davon nähmen die Schausteller inzwischen auf Weihnachtsmärkten ein. Erheblich gelitten habe das Vorjahresgeschäft unter dem kalten und nassen Frühjahr, berichtete Kalb. »Das hat sich dann aber im Laufe des Sommers stabilisiert. Und die Weihnachtsmärkte liefen dann wieder sehr gut.«

Unabhängig vom Wetter machten den klassischen Volksfesten seit Jahren sinkende Besucherzahlen zu schaffen. 2012 haben 17 Prozent weniger Menschen die Volksfeste besucht als im Jahr 2000. Das liege auch am schrumpfenden Angebot an Veranstaltungen, betont der Verband in einer Branchenstudie. So sei die Zahl der Kirmes-Volksfeste seit der Jahrtausendwende um 23,4 Prozent zurückgegangen. Allerdings seien darunter viele Kleinstveranstaltungen. Die großen Rummelplätze in Deutschland seien weiter beliebt. Aber auch dort müssten sich die Veranstalter stärker auf älteres Publikum einstellen, rät Kalb.

Weiter zu schaffen mache vielen Schaustellern der steigende Kostendruck, erklärt der DSB-Mann. Da die Betriebe kaum Möglichkeiten hätten, etwa steigende Gebühren und Abgaben mit höheren Preisen für Autoscooter, Zuckerwatte und Bratwürste auszugleichen, habe sich laut Branchenumfrage die wirtschaftliche Situation jedes zweiten Betriebs in den vergangenen drei Jahren verschlechtert. Gerade Betreiber großer Fahrgeschäfte seien wegen des Kostendrucks immer weniger auf Volksfesten vertreten. »Die einst größte Achterbahn Deutschlands, der Eurostar, läuft inzwischen in einem Freizeitpark in Moskau«, berichtete Kalb. Und die einzige deutsche Fünfer-Looping-Achterbahn werde nur noch selten aufgebaut. »Die wird mit 70 Lastwagen transportiert. Da sind einfach die Transportkosten zu hoch«, erklärt der stellvertretende Vorsitzende des DSB.

Schwieriger sei inzwischen auch die Finanzierung der Anschaffung großer Fahrgeschäfte, berichtete DSB-Sprecherin Lucinde Boennecke. Banken verhielten sich wie auch im Falle anderer Branchen auch immer restriktiver bei der Kreditvergabe. dpa/nd

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