Keine Projektionsfläche für Krawall

Bündnispressesprecher Michael Prütz über die »Revolutionären 1.Mai«-Demonstration

  • Lesedauer: 4 Min.
Michael Prütz ist Pressesprecher des Bündnisses »Revolutionärer 1. Mai«. Seit 1988 findet die von dem Bündnis organisierte linksradikale Demonstration fast jährlich in Kreuzberg statt. An der Demo beteiligen sich unter anderem die Antifaschistische Linke Berlin, die Neue Antikapitalistische Organisation und der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall. Die Demo soll um 18.00 Uhr am Lausitzer Platz beginnen. Mit Michael Prütz sprach für das »nd« Jonas Pentzien.

nd: In den letzten Jahren sind wieder deutlich mehr Personen zum »Revolutionären 1. Mai« gekommen. Warum?
Viele wollen ihren Frust über die Politik der deutschen Regierung in der Finanzkrise ausdrücken und klarmachen, dass sie nicht einverstanden sind mit dem, was zurzeit in Deutschland und Europa passiert. Die Demonstration wurde in den letzten Jahren repolitisiert - inhaltliche Blöcke und Themenschwerpunkte haben viele Leute angesprochen.

Ritualisierung und Inhaltslosigkeit wurden der Demo aber auch im letzten Jahr wieder vorgeworfen. Ist der »Revolutionäre 1. Mai« auch 2014 noch relevant?
Wir haben es letztes Jahr zum ersten Mal geschafft, die Demo bis nach Mitte zu führen. Wir wollten damit ein Zeichen setzen, dass wir uns nicht in Kreuzberg oder Neukölln einsperren lassen. Damit rechnet ja jeder, dass Antikapitalisten durch diese Kieze marschieren. Außenministerium und Kanzleramt befinden sich aber in Mitte, dort sitzen dann auch die, die Verantwortung für das tragen, was zurzeit in Europa passiert. Diese Symbolik der Macht ist auch für uns zentral und war Teil der Demonstration. Ich glaube schon, dass das notwendig war und die Leute überzeugt hat.

Mai-Termine
30. April. 19 Uhr: Linke Demonstration unter dem Motto »Antikapitalistische Walpurgisnacht - Allet oder Nüscht« in Wedding. Der Veranstalter hat 500 Teilnehmer angemeldet, die Polizei rechnet aber wie in den vergangenen Jahren mit bis zu 3000 Teilnehmern. Die Strecke führt vom U-Bahnhof Seestraße durch die Müllerstraße zur Badstraße.

Abends: In der Walpurgisnacht finden überall in der Stadt Feiern zu Beginn des Sommers statt. So zum 11. Mal auch die »friedvolle Walpurgisnacht« im Mauerpark mit Tanz in den Mai, Lagerfeuer, Feuerartistik, Seifenblasen und Musik. Die Polizei hat im Vorfeld angekündigt, kleinere Feuer durch die Feuerwehr prüfen zulassen, ob von ihnen Gefahr ausgeht.

1. Mai. 10 Uhr: Demonstrationen und Veranstaltungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und seiner Mitgliedsgewerkschaften.

Startpunkt ist der Hackesche Markt, es gibt eine Demonstration mit Skater-, Fahrrad- und Motorradkorso bis zum Brandenburger Tor. Dort spricht auf dem Platz des 18. März unter anderem um 11.40 Uhr Irene Schulz vom IG Vorstand. Anschließend gibt es auf der Straße des 17. Juni das Maifest.

Ab 11 Uhr: »MyFest« in Kreuzberg. Rund um die Oranienstraße und den Mariannenplatz werden wieder Zehntausende feiern. Auf dem Mariannenplatz selbst wird die Linkspartei ab 13 Uhr alleine das traditionelle 1. Mai-Fest ausrichten. Dafür sucht die Partei noch Helfer.

17 Uhr: Zu einer Demonstration unter dem Motto »Schnauze voll« ab dem Feuerwehrbrunnen auf dem Mariannenplatz rufen linksradikale Gruppen zu einem Aufzug durch das »Myfest« auf, die nicht angemeldete Demonstration soll am Antreteplatz der sogenannten 18-Uhr-Demonstration am Lausitzer Platz enden.

18 Uhr: Auftakt der »Revolutionären 1. Mai-Demonstration« auf dem Lausitzer Platz. Die Route führt in diesem Jahr nicht erneut direkt ins Zentrum, sondern soll über Skalitzer Straße, Kottbusser Tor, Herrmannplatz, Urbanstraße, Hallesches Tor zur SPD-Zentrale führen. Die Polizei rechnet mit 10 000 Teilnehmern, der Veranstalter mit 15 000 (siehe Interview).

2. Mai. 13 Uhr: Zum 10. Mal findet die Demonstration zum Internationalen Kampf- und Feiertag der Arbeitslosen statt. Der Aufzug beginnt um 13 Uhr am Senefelderplatz in Prenzlauer Berg und führt auf einem Rundkurs durch den Kiez. mkr

 

Wird die Demonstration dieses Jahr ähnlich aussehen?
Wir haben jetzt eine Route genehmigt bekommen, die bis zur AOK-Zentrale in der Wilhelmstraße reicht, das ist nur 70 Meter von der SPD-Zentrale entfernt. Los geht’s am Lausitzer Platz. Aus meiner Sicht ist das eine spannende Strecke, auch wenn es nicht nach Mitte geht.

Die Abschlusskundgebung am Willy-Brandt-Haus. Soll die SPD dort stellvertretend für die Krisenpolitik der Regierung herangezogen werden?
Natürlich beziehen wir uns da auf deren Krisenpolitik, aber wir wollen genauso die Haltung Steinmeiers im Ukraine-Konflikt, wo er sich ja auf unsägliche Art und Weise mit der Rechtsregierung verbündet, thematisieren. Und dieses Jahr haben wir natürlich auch noch einen historischen Bezug, 100 Jahre Erster Weltkrieg und die Bewilligung der Kriegskredite. Da wollen wir einige Kontinuitäten der SPD-Politik aufzeigen.

Die SPD soll im Fokus der Demonstration stehen?
Nicht alleine. An die Spitze setzen wir einen internationalistischen Block, da kommen Genossen aus Griechenland, die gemeinsam mit türkischen und kurdischen Kollegen laufen werden - daran wird die internationalistische Ausrichtung und unsere Solidarität mit den Kämpfen dieser Gruppen deutlich. Es geht uns nicht nur um Deutschland.

Was ist denn das Anliegen dieses internationalistischen Blocks?
Ein ganz wichtiges Thema ist die Politik der Troika in Südeuropa, die dort ja zu einer massenhaften Verarmung geführt hat. Da sagen wir: Die Verantwortung dafür trägt aber nicht nur die Troika, sondern auch die Bundesregierung. Das muss im Vordergrund stehen. Aber natürlich wird auch die Mieterbewegung abseits davon auf die Gentrifizierung, die steigenden Mieten und die Verdrängung hier in Berlin aufmerksam machen.

Und für den Fall, dass die Demo ihr Ziel wieder nicht erreichen sollte gibt es einen Plan B?
Vom letzten Jahr abgesehen wurden die Demos ja immer schon lange vor dem Ziel aufgelöst, 2012 beispielsweise vor dem Jüdischen Museum. Es ist eines unserer zentralen Anliegen, die Demo von Anfang bis Ende durchzuführen. Ein Plan B wird gerade noch ausgearbeitet, aber wir gehen davon aus, dass die Demo auch in diesem Jahr ihr Ziel erreichen wird.

Myfest oder »Krawalle«, der Kreuzberger 1. Mai war immer schon kontrovers. Wo verorten Sie die Demonstration heute?
Als wir letztes Jahr Kreuzberg verlassen haben, sind die, denen es nur um »Krawalle« geht, einfach vor Ort geblieben. Das wollen wir dieses Jahr auch. Wir bieten keine Projektionsfläche für erlebnishungrige Krawalltouristen, wir wollen aber auch kein entpolitisiertes Myfest in SO36. Die Distanzierung ist letztes Jahr aber gut gelungen, deswegen wird die Demo auch diesmal wieder das Kerngebiet Kreuzbergs verlassen. Die, die Myfest oder »Randale« machen wollen, bleiben dann wieder zurück - die sind viel zu faul, mitzulaufen.

Was für eine Beteiligung erhoffen Sie sich in diesem Jahr?
Da gibt es immer so viele Faktoren, allen voran das Wetter, aber auch der Verlauf der Proteste am Tag. Wenn die Sonne scheint und die Leute noch Kraft haben, dann sollten es schon wieder etwas mehr als 15 000 werden.

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