nd-aktuell.de / 02.05.2014 / Politik / Seite 14

2674 Pfeifen und ein Halleluja

Das 300-jährige Jubiläum der Silbermann-Orgel im Freiberger Dom wird groß gefeiert

Hendrik Lasch, Freiberg
Gottfried Silbermann, der geniale Instrumentenbauer der Barockzeit, baute 50 Orgeln. Die berühmteste erklingt im Dom von Freiberg. Sie wird jetzt 300 Jahre alt - Anlass für ein großes Fest.

Der Mann, der ab 1710 die Königin der Instrumente in Sachsen in nie gesehenem Glanz erstrahlen ließ, war auch mit einem königlichen Selbstbewusstsein ausgestattet. Obwohl erst am Beginn seiner Karriere stehend, pries Gottfried Silbermann die Orgel, die er im Dom St. Marien zu Freiberg baute, in den höchsten Tönen: Es werde »dergleichen in Sachsen und weit und breit nicht von Güte« sein.

Silbermann nahm den Mund sehr voll - und das, obwohl die Geschichte des heute berühmtesten Freiberger Instruments wie die vieler Großprojekte begann - mit Bauverzug. Die Orgel für den Dom St. Marien, die der Stadtrat der sächsischen Bergstadt im Jahr 1710 beim damals erst 27 Jahre alten Silbermann in Auftrag gegeben hatte, sollte längst fertig sein; statt dessen stellte dieser im Oktober 1713 saftige finanzielle Nachforderungen. Die zu gewähren hatte der Stadtrat, wie Silbermanns Eigenlob beweist, seiner Meinung nach allen Anlass.

Die damaligen Ratsmitglieder werden ihre Zweifel gehabt haben. Zu Beginn des 300. Jubiläumsjahrs der Orgel steht indes fest, dass Silbermann nicht übertrieben hat. Albrecht Koch, seit 2008 Domorganist in St. Marien, hat schon auf vielen schönen Instrumenten in der ganzen Welt gespielt, aber am liebsten setzt er sich auf die heimische Orgelbank: »Ich finde an der Orgel nichts, was nicht stimmt«, sagt er, »das gibt es selten.« Und auch in der Kommunalpolitik ist der einstige Unmut über den saumseligen Instrumentenbauer längst verflogen. Die immerhin rund 2000 Taler, die der Rat einst für die Orgel bezahlte, seien gut angelegtes Geld, sagt Freibergs Oberbürgermeister Bernd-Erwin Schramm: »Die Stadt profitiert bis heute davon«. Das Instrument im Dom sei »das Herz einer in Deutschland einmaligen Orgellandschaft«.

Gründe dafür, dass Orgelliebhaber von weither in den Freiberger Dom pilgern, gibt es viele. Zum einen erklingt das Instrument noch beinahe so, wie es der 1683 in Kleinbobritzsch bei Freiberg geborene, im Elsass ausgebildete und 1711 in eine mietfreie Wohnung am Freiberger Schlossplatz gezogene Silbermann entworfen hat: Die »originale Substanz von den Tasten bis zu den Pfeifen« sei weitgehend erhalten, sagt Koch; auch der Klang des Instruments, der französische und sächsische Einflüsse offenbart, wurde nie verändert. Zudem gehört die Freiberger Orgel mit 2674 Pfeifen in 44 Registern zu den größten, die Silbermann gebaut hat. Weitere Instrumente sind in kleinen Stadt- und Dorfkirchen zwischen Freiberg und Dresden zu hören und zu sehen: Von 50 Orgeln, die Silbermann neu baute, sind 31 erhalten. Die letzte wurde 1753 in der Dresdner Hofkirche vollendet. Im gleichen Jahr starb Silbermann.

Sein wohl bedeutendstes Instrument wird in Freiberg jetzt mit einem umfangreichen Festprogramm gewürdigt. Am 8. Mai beginnt der 75. Jahrgang der legendären Abendmusiken, einer Konzertreihe, in deren Rahmen diesmal auch drei Auftragskompositionen von zeitgenössischen Komponisten zur Uraufführung gelangen: »Wir wollen zeigen, dass unsere Orgel nicht nur ein Museumsinstrument für barocke Musik ist«, sagt Koch. Eines der Konzerte findet am 14. August statt, exakt dem Datum, an dem das Instrument 300 Jahre zuvor offiziell abgenommen wurde. Anfang Juni gibt es spezielle Angebote für Kinder; vom 19. bis 22. Juni gastieren dann acht junge, preisgekrönte Organisten aus Mitgliedsstädten der »European Cities of Historical Organs« (ECHO), der auch Freiberg angehört. Die eigentliche Festwoche beginnt am 28. September nicht mit einem Konzert, sondern mit einem Festgottesdienst. Schließlich, sagt der Freiberger Superintendent Christoph Noth, seien Orgeln noch lange nach Silbermann nicht für Konzerte, sondern zur »Verschönerung« der Gottesdienste gedacht gewesen: »Alle großen Ereignisse im Leben eines Menschen waren begleitet vom Spiel der Orgel.«

In Freiberg begleitet der volle Klang der 2674 Pfeifen im Jahr 2014 vor allem ein großes Ereignis im Leben der Silbermannorgel selbst: ihr 300. Jubiläum - das, wie Koch anmerkt, nur der Auftakt für eine ganze Reihe gleichartiger Geburtstage in der Region ist: 2015 wird die Silbermannorgel in Pfaffroda 300 Jahre alt, vier Jahre später die ursprünglich für eine andere Kirche gebaute, kleinere der beiden Orgeln im Freiberger Dom, davor und danach viele weitere. Die Feierlichkeiten für den genialen sächsischen Orgelbauer könnten, sagt Domorganist Albrecht Koch, bis 2053 dauern, wenn sie in der Hofkirche Dresden beendet würden: »Eigentlich geht es jetzt erst richtig los.«