Die Gnade und das Ich: eine Verlustanzeige

Zweimal Karin Henkel: »Dogville« am Schauspiel Frankfurt, »Amphitryon und seine Doppelgänger« beim Theatertreffen Berlin

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: ca. 5.5 Min.

Manchmal ist das Theater müde. Es ermüdet an sich selbst. Dass Shakespeare ein Gegenwartsautor bleibt oder der gute Lessing und der böse Ibsen, das bleibt wahr, und wir bleiben ihnen aus Eigennutz treu, aber just die Treue ist es ja, die Müdigkeit schafft. Immer die gleichen Geschichten! Deshalb schaut sich das Theater mitunter hilfesuchend um, und sein hungriger Blick trifft auf die wohl größte Gegenwartsgeschichtengebärmaschine: das Kino.

Lars von Trier zum Beispiel - er hatte mit »Dogville« einen erschütternden Film auf die Welt gebracht - über das Flüchtlingsmädchen Grace, das in einem Dorf in den felsigen Bergen aufgenommen wird; der Schutzraum aber wird unaufhaltsam zum Straflager für eine Sklavin, die von Szene zu Szene mehr in die Demütigung getrieben wird. Bis sie am Ende, Tochter eines Großgangsters, das gesamte Dorf von Vaters Mannen auslöschen lässt. Lars von Trier: der Regisseur, der keine Gefangenen macht. Eine P...


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