Frieden mit dem Panzerdenkmal

Informationsstelen zur Vorgeschichte der rosa Schneefräse an der Westberliner Grenze

Nachdem die sowjetischen Truppen 1990 den T-34 in Kleinmachnow entfernten, setzte ein Künstler eine Schneefräse auf den Sockel. Dieses Denkmal ist umstritten, so wie bis 1955 der Panzer.

Auch das Panzerdenkmal in Kleinmachnow gerät ins Blickfeld, obwohl Autofahrer auf der A 115 dieses Bauwerk kaum bemerken, wenn sie sich auf den Verkehr konzentrieren. Aber sowjetische Panzer erregen Aufmerksamkeit angesichts der empörenden Bemühungen der »BILD«-Zeitung, die Panzer am sowjetischen Ehrenmal im Berliner Tiergarten unter Verweis auf den Konflikt in der Ukraine abzuräumen.

Dabei steht an der A 115 bereits seit Dezember 1990 kein Panzer mehr. Die sowjetischen Truppen holten den T-34 damals weg, nahmen ihn 1993/94 mit beim Abzug in die Heimat - wohl wissend, dass sie ihn künftig nicht mehr vor Beschädigung bewahren könnten. 1992 hievte der Künstler Eckhart Haisch eine rosa angepinselte Schneefräse auf den verwaisten Sockel. An dem Gefährt aus sowjetischer Produktion, Typ GAZ 69, scheiden sich die Geister. Viele Sozialisten und Kommunisten sehen darin einen würdelosen Akt, der die sowjetischen Befreier vom Faschismus verhöhne und Freude darüber ausdrücke, dass diese hier nun nichts mehr zu melden haben.

»Als Linker war ich erst sehr sauer«, gesteht Gemeindevertreter Thomas Singer (LINKE). Doch: »Nach und nach konnte ich mir kein besseres Symbol für die Umsetzung der populären Losung ›Schwerter zu Pflugscharen‹ vorstellen.« An diesem Mittwoch um 11 Uhr werden drei Stelen eingeweiht, die über die ganze Geschichte informieren. Die auf rostigen Stahl geschraubten Plexiglasscheiben mit Texten und Fotos standen am Dienstag bereits fix und fertig da. Ein Mann schraubte sie aber noch einmal ab. Sein Auftrag: helle Folie dahinter kleben, damit die Texte besser lesbar sind.

Roland Templin sah zu. Er engagiert sich in der Initiative »Bürger für gute Lebensqualität in Kleinmachnow«, sitzt als Fraktionschef dieser Initiative im Gemeindeparlament. Templin, Thomas Singer, der frühere Landtagsabgeordnete Jens Klocksin (SPD) und Axel Müller von den Grünen meldeten sich 2011 als »Freunde des Panzerdenkmals« zu Wort. Es wurde inzwischen als Kletterfelsen missbraucht und demoliert. Die Schneefräse war zugesprüht, von der rosa Farbe nichts mehr zu sehen.

Die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft bot das Areal der Gemeinde Kleinmachnow an, die sich zunächst für eine Übernahme nicht begeistern konnte. Denn dies bedeutete Verantwortung für die Erhaltung. Alteingesessene Kleinmachnower wollten sich den Sockel oft höchstens wieder mit Panzer vorstellen, was allerdings vielen aus Westberlin Zugezogenen ein Graus gewesen wäre.

Die vier Freunde erreichten ein Umdenken. Templin, ebenfalls aus Westberlin nach Kleinmachnow gekommen, kann sich noch erinnern, vor der Wende bei der Vorbeifahrt auf der Autobahn den T-34 mit der aufwärts gen Westberlin gerichteten Kanone als Machtdemonstration empfunden zu haben. Anders als das sowjetische Ehrenmal im Tiergarten mit seinem Marmor von der Reichskanzlei. Das konnte er selbst als Kriegsdienstverweigerer akzeptieren, denn er sah es trotz der Panzer dort nicht als martialische Protzerei des Militärs, sondern als Mahnmal für die im Kampf gegen Hitler gefallenen Soldaten. Die Schneefräse findet Templin »herrlich«, weil sie zum Nachdenken anregt, wie ein Denkmal dies im Idealfall tun sollte. Antikommunistisch sei die Fräse keineswegs. »Das ist überhaupt nicht Anti«, betont er.

Des Nachdenkens wert ist die bewegte Geschichte des Denkmals allemal. 1945 wurde es zunächst an einer Kreuzung der Potsdamer Straße in Berlin-Zehlendorf errichtet. »Auf Befehl der Sowjets« habe das Bezirksamt das bezahlen müssen, heißt es auf einer Stele. Die Wortwahl erinnert an den Tonfall des Kalten Krieges. Kein Wunder! Schließlich mischte die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur bei den Stelen mit. Der Panzer in Zehlendorf war ein IS-2 Stalin. Es soll der erste Panzer gewesen sein, der 1945 von Westen her ins eingekesselte Berlin vorstieß. An diesem IS-2 ließen Zehlendorfer ihre Wut aus. Die Bevölkerung beschmierte den Sockel mit der Parole »Fort mit dem Sowjetpanzer«, übergoss ihn am 4. Juni 1951 sogar mit Benzin und zündete ihn an. Von sowjetischer Seite ermahnt, schützten die US-Streitkräfte das Denkmal mit einem Drahtkäfig, was aber wenig half. Kurz nach den Unruhen des 17. Juni 1953 in der DDR postierten Geflüchtete und Zehlendorfer ein Holzkreuz am Panzer und überlegten, die Sicht auf das Fahrzeug durch Bäume zu verstellen. Eine bereits begonnene Reinigung wurde unterbunden. 1955 verschoben die sowjetischen Truppen das Denkmal deshalb nach Kleinmachnow in ihre Besatzungszone und bei der Verlegung der Autobahn 1969 noch einmal an seinen jetzigen Standort. Bevor sie den IS-2 aus Zehlendorf abholten, setzten sie einen T-34 auf den neuen Sockel.

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