nd-aktuell.de / 08.05.2014 / Kultur / Seite 17

Showdown in Budapest

Gregor Sander erzählt eine Ost-West-Liebesgeschichte

Irmtraud Gutschke

Was gewesen wäre« - die titelgebende Frage dieses Romans hat sich schon jeder mal gestellt. Neugierig bloß oder mit einem bedauernden Unterton. Müßig. Wenn Julius in seinem Jugendüberschwang ebenso verliebt gewesen wäre wie Astrid in ihn, dann wäre für die beiden daraus eine Bindung geworden - und für den Autor eine ganz andere Geschichte, mit nicht so vielen spannenden Zutaten wahrscheinlich.

So aber musste Astrid anderweitig heiraten, Kinder bekommen, in der DDR Ärztin werden - immerhin - sich scheiden lassen, um zu ihrem 44. Geburtstag von ihrer neuen Liebe Paul eine Reise nach Budapest geschenkt zu bekommen, ins berühmte Hotel Gellért, wo sie 1987 schon mal war. Ist dieser Paul mit seinen himmelblauen Augen, aber auch nicht mehr jung, wirklich ihre Liebe? Ist sie die seine? Womöglich. Ja.

Aber darum geht es Gregor Sander nicht mal so sehr. Er wollte eine Ost-West-Geschichte bauen. Wahrhaftig sollte sie sein, aber auch einiges von dem enthalten, was heute medial davon erwartet wird. Wie klug, dass der Wallstein Verlag das Wort »Stasi« nicht in den Klappentext geschrieben hat. Man hätte womöglich mehr Klischees befürchtet, als sie dann tatsächlich geliefert werden. Vielleicht hat der Autor ja sogar gegen vereinfachte Vorstellungen anschreiben wollen. Alles ist so verwickelt, dass es glaubwürdig erscheint, man könnte sich sogar noch einiges hinzudenken. Astrids Freundin Jana wollte weg aus der DDR, sie selber wollte bleiben. Julius hatte eine Mutter, die sich nicht nur als Künstlerin, sondern vor allem auch als Oppositionelle verstand. Die hätte das MfS gern außer Landes gesehen.

Menschen in Konflikten: Lösungen, die im Moment eindeutig schienen, bekamen im Nachhinein mitunter einen schalen Beigeschmack von Beklemmung. Den eigenen Weg gehen zu wollen, hat eben leider oft auch Folgen für andere ...

Eine gut erzählte Geschichte, die in keinem Moment langweilig wird. Nur Paul tut einem mitunter leid, weil es in seiner West-Vergangenheit offenbar viel weniger Spannendes gab, womit er zur Roman-Handlung hätte beitragen können. Während Astrid in Budapest mit ihrem Vorleben konfrontiert wird, kann er lediglich der Fragende und Verständnisvolle sein. Apropos Ungarn: Da kommen - recht geschickt, über zwei Künstler-Freunde von Julius - auch die Probleme ins Bild, die mit der »Wende« dort verbunden waren.

Gregor Sander: Was gewesen wäre. Roman. Wallstein Verlag. 236 S., geb., 19,90 €.