Ein Klacks

Andreas Koristka über 40 Euro EEG-Umlage, den Ärger von Sigmar Gabriel und die Überlebenssorgen der Industrie

Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.
Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremagazins »Eulenspiegel«.

Wir sind alle kleingeistige Egoisten. Wenn jemand zu uns käme und nach 40 Euro fragte, würden wir sie ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verweigern. Denn wir sind allesamt geizige Spießer, die jeden Cent zweimal umdrehen und darüber hinaus vergessen, fröhlich und sorgenfrei zu leben. Stattdessen ist Geld unser dämonischer Götze, nach dem wir unser gesamtes Leben richten. Hand aufs Herz! Wer ist nicht schon mal an der Toilettenfrau vorbeigelaufen und tat so, als würde er sie nicht bemerken? Wer hat noch nie bei der Steuererklärung getrickst? Und wer hat niemals einen blinden Bettler seiner Tageseinnahmen beraubt und danach zusammengetreten?

Wir sind gierig! Und deshalb ist es Sigmar Gabriel hoch anzurechnen, dass er den Mut aufbringt, Geld von uns zu fordern. Die Kleinigkeit von 40 Euro bedeutet die EEG-Umlage für einen durchschnittlichen Drei-Personen-Haushalt. Sie ist zum Gelingen der Energiewende unverzichtbar. Und obwohl diese Summe verschwindend gering ist, gibt es in Deutschland Stimmen, die ihre Zahlung ablehnen. Genau das bringt den für Wirtschaft, Umwelt und cholerisches Zusammenscheißen zuständigen Superminister fast zum Platzen - das und die drei Eimer Pommes, die er sich jeden Morgen genehmigt.

Um es uns sehr eindringlich zu vermitteln, gab Sigmar Gabriel vor Kurzem bekannt, was passieren würde, wenn statt uns die deutsche Industrie für diese lächerlichen 40 Euro aufkommen müsste. »Schwerste Verwerfungen« würden nämlich drohen, und Gabriel fügte an, dass er es für ein »frivoles Unterfangen« hielte, mit dem Verzicht auf dieses Geld »Hunderttausende Arbeitsplätze« in Gefahr zu bringen. Recht hat er! Denn was würde der durchschnittliche frivole Drei-Personen-Haushalt mit dem zusätzlichen Geld tun? 30 Euro allein würden sicherlich für irgendeinen geistlosen Quatsch draufgehen, und für fünf Euro würde Nippes angeschafft werden. Bleiben weitere fünf Euro übrig, die achtlos weggeworfen würden. Und was brächte das dem Gemeinwohl? Oder ganz anders gefragt: Was brächte es der Industrie? Das sind keine rhetorischen Fragen, denn die Antwort auf sie lautet: nichts.

Trotzdem bleiben Gabriel bei seiner Forderung die Herzen der Menschen genauso verschlossen wie der Wirtschaftslobby die Türen seines Ministeriums in einem völlig unstimmigen sprachlichen Bild. Dabei ist offensichtlich, dass es die energieintensive Wirtschaft in unserem Land sehr schwer hat. Fünf Euro allein kostet beispielsweise schon der Ausstoß von einer Tonne Kohlendioxid, und den Preis von 15 Megawattstunden verschlingt die Herstellung von nur einer Tonne Rohaluminium. Überhaupt ist die Aluminiumindustrie ein gutes Beispiel: Wenn dort nicht jeder Arbeitsplatz im Jahr mit 440 000 Euro subventioniert würde, dann könnte eine ganze Branche dichtmachen. Zugegeben, von dem Geld könnte man auch 43 Jahre lang einen Arbeitslosengeld-II-Bezieher finanzieren. Aber wovon lebte dieser Mensch im 44. Jahr? Eine Jobsuche jedenfalls wäre für ihn aussichtslos, denn das Aluminium produzierende Gewerbe wäre dann längst ins Ausland abgewandert.

Kein Wunder also, dass Sigmar Gabriel bei Kritik an seiner Energiewende der Arsch platzt, wie er erst unlängst durch seine Blicke bekannt geben ließ. Sind wir wirklich so verbiestert, dass wir unseren Geiz vor das Glück der Industrie stellen? Ist es uns egal, wenn deshalb eine wirtschaftliche Eiszeit droht, gegen die die kalte Progression wie ein warmes Frühlingslüftchen erscheint? Warum stellen wir uns nicht einmal statt der Frage »Was kann mein Land für mich tun?« eine ganz andere, nämlich: »Was kann ich für Sigmar Gabriel tun, damit dieser nach seiner politischen Karriere einen gut bezahlten Posten in der Wirtschaft erhält?« Und gemessen an dem vielen Geld, was er dort erhielte, sind 40 Euro doch nun wirklich ein Klacks!

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal