nd-aktuell.de / 15.05.2014 / Sport / Seite 19

Eine Stadt in Abstiegsangst

Scheidet der HSV in der Relegation gegen Fürth aus, verliert Hamburg neben einem Bundesligisten auch viel Geld

Volker Stahl, Hamburg
Hamburg zittert vor dem Showdown: Vom Barkeeper bis zum Bürgermeister wünschen sich so gut wie alle den Verbleib des HSV in der 1. Fußball-Bundesliga.

Die Elbmetropole Hamburg hat geflaggt: für den HSV. Besonders in den Stadtteilen in der Nähe des Stadions - Stellingen, Eidelstedt und Lurup - flattern viele Fahnen mit dem Logo des Hamburger SV an Masten rund um den Volkspark. Die Solidarität mit dem abstiegsbedrohten »Dino der Bundesliga« ist seit Wochen groß. Doch welche Auswirkungen hätte ein Absturz in die 2. Fußball-Bundesliga für die stolze Stadt? Ein Stimmungsbild.

Volksparkstraße 79-81, direkt an der S-Bahn-Station Stellingen, von hier geht’s direkt zur Arena. Die mit blau-weiß-schwarzen Schals und Wandmalereien dekorierte HSV-Fankneipe »unabsteigBAR« ist wochentags um 19 Uhr ein trister Ort. Ein älterer Herr sitzt allein an der Bar, nippt an seinem frisch gezapften Bier, sonst ist der Laden leer. So stellt man sich die Atmosphäre vor Spielen gegen Zweitligisten wie den SV Sandhausen vor. Dabei sind weder der alte Mann noch der 29-jährige Marcel hinter dem Tresen überhaupt Anhänger des HSV. »Ich bin Gladbach-Fan«, sagt Marcel, der dem HSV heute im Relegationsspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth trotzdem die Daumen drückt: »Ein Abstieg hätte mit Sicherheit Folgen für unsere Bar. Dortmund bringt natürlich mehr Fans mit als Aue.« Auch die umliegenden Kioske würden schlechtere Geschäfte machen, meint Marcel.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Hamburg Gregor Maihöfer teilt die Sorge des Barkeepers: »Zu einer attraktiven Stadt gehört ein Erstligaverein dazu.« Eine Klasse tiefer kämen weniger Fans: »Spielt der HSV gegen den 1. FC Köln, kommen viele Besucher mit Autos, Bussen, Sonderzügen oder sogar mit dem Flugzeug. Wenn Ahlen gastiert, sieht das anders aus«, sagt Maihöfer in breitem schwäbischen Dialekt. Deshalb zittert der Anhänger des VfB Stuttgart diesmal mit den Rothosen, denn: »Fußball ist die Nummer eins und bewegt die Massen.«

Bezogen auf den HSV hat das »Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut« (HWWI) in der Studie »Wirtschaftsfaktor Fußball« einen regionalen Effekt von rund 100 Millionen Euro und über 750 Arbeitsplätzen ermittelt. »Bei einem Abstieg würden diese Effekte auf rund 60 Millionen Euro und 500 Arbeitsplätze zurückgehen«, warnt HWWI-Professor Hennig Vöpel. Im zweiten Jahr der Zweitligazugehörigkeit beschleunige sich der Rückgang auf nur noch 30 Millionen Euro und 300 Arbeitsplätze, die am HSV hingen. »Das ist gemessen am Hamburger Bruttoinlandsprodukt von rund 100 Milliarden Euro zwar verschwindend gering«, sagt Vöpel, »viel wichtiger sind aber die Imageeffekte des HSV für Hamburg, die bei einem Abstieg verloren gingen.« Davor warnt auch Guido Neumann von der Hamburg Marketing: »Objektiv gesehen wäre der Abstieg ein Super-GAU.« Tourismusveranstalter wie »HSV-Reisen« müssten mit starken Einbußen rechnen.

Solche Aussagen hört man in der Kaufmannstadt Hamburg nicht so gern. Wohl auch ein Grund dafür, warum sich nun sogar der als leidenschaftlicher Jogger bekannte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) für den Fußball interessiert. Zusammen mit Sportsenator Michael Neumann reiste er zum Bundesligafinale nach Mainz, um dem HSV die Daumen zu drücken. Hat nicht geklappt. Dennoch bleibt Scholz optimistisch: »Wir blicken voller Hoffnung auf die kommenden Relegationsspiele.« Der parteilose Wirtschaftssenator Wolfgang Horch sieht dem Showdown gar noch selbstbewusster entgegen: »Hamburg spielt auf vielen Plätzen in der ersten Liga: Luftfahrt, Windenergie, Logistik. Da ist es nur richtig, wenn auch weiter in der ersten Liga gekickt wird.«

Bleibt eine Frage offen, falls der HSV gegen Fürth doch verliert: Kann die »unabsteigBAR« ihren Namen behalten? Henning Vöpel hat eine Idee: »Eine ›absteigBAR‹ würde ja auch Sinn machen - und den eigentlichen Zweck von Bars betonen.«