Hauptsache Schnauzbart: Auch Klapprad-Junkies gehören jetzt zum Velothon
Es sieht komisch aus - man sagt wohl anachronistisch dazu -, aber Frank Spindler alias »Hoss« hat wirklich Klickpedalen an seinem 70er-Jahre-Klapprad. Ein Klick, und schon ist der gut genährte Mann im weißen Weltmeistertrikot fest mit dem Gefährt verbunden, das etwa 20 Jahre vor der Erfindung der Klickpedale gebaut wurde. Der »World Klapp«, der 2014 erstmals Teil des Velothons war, ist wahrhaftig ein Hort des Merkwürdigen. Wo auch immer sie hinsehen: Jedes Mal klappt den zahlreichen Umstehenden die Kinnlade nach unten, oder sie schütteln ihre Köpfe.
Es gibt nur wenige Regeln für dieses 5,4 Kilometer lange Mannschaftszeitfahren. Die wichtigsten heißen: Klapprad aus den 70ern und Oberlippenbart. Beim Team »Iwwersetzer 6?/1?«, dessen Mitglied Spindler ist, sind drei dieser Bärte natürlich gewachsen. Nur »Little Joe« Alexander Groß-Wesely hat sich einen aufgeklebt. Auch Frauenteams sind am Samstag am Start. Sie haben sich bemalt oder kauften für einen Euro das begehrte Stück Pflichtstoff.
Ansonsten wird aufgemotzt, was das Zeug hält. Die Iwwersetzer haben sich 68er-Kettenblätter montiert - normal sind gut 20 Zähne weniger -, um mehr Weg mit einer Pedalumdrehung zurücklegen zu können. Die 20-Zoll-Räder haben profillose Reifen wie beim Rennradprofi, sogar einen aerodynamischen Zeitfahrhelm hat sich Teamkapitän Michael »Klapperbart« Hetz aufgesetzt. Sein Rad hat er vor ein paar Jahren für zehn Euro auf dem Schrottplatz erstanden. »Seitdem habe ich etwa 200 Stunden und 450 Euro reingesteckt«, sagt er.
Manch einer trinkt vor dem Start statt Wasser lieber noch einen Schluck Bier. Ganz isotonisch, versteht sich. Und die Familien machen alles mit. Vier Klapprad-Junkies aus der Pfalz, die sich im Internet gefunden haben, fahren auf der Straße des 17. Juni, mehr als 20 Ehefrauen, Kinder und Fans feuern sie am Straßenrad an. »Es ist schon ziemlich verrückt. Aber so lange sie Spaß haben, ist es okay«, sagt Kristof, Sohn von Joachim »DeDarkVader« Rummel. Wohlgemerkt spricht der Teenager diesen Satz über seinen Vater aus, nicht andersherum.
Die Iwwersetzer werden schließlich Achte. Die Sieger heißen »Madkinxx«. Die Lokalmatadoren hätten in 8:19 Minuten einen neuen Streckenrekord aufgestellt, teilen die Organisatoren in ihrer typischen Mischung aus Stolz und Ironie mit. War ja auch die erste Austragung hier. »Für mich geht es beim World Klapp um Spaß und Wettkampf«, sagt Hetz. »Der Spaß kommt erst nach dem Rennen. Den kann man auch nicht trainieren.« 14 Stunden später stehen die Vier am Sonntagmorgen wieder am Start, als Mitglieder des nd-Teams. Mit Klapprad und Schnauzer.
40 nd-Fahrer haben trotz Dauerregens das Ziel des Velothons 2014 erreicht. Wir sind stolz darauf, dass wir in den verschiedenen Altersklassen sogar drei Siege durch Täve Schur, Reinhard Runge und Anke Speth einsammeln konnten. Das ist Premiere fürs nd-Team. Unser Dank gilt jedoch selbstredend allen Teilnehmern. Hier sind ihre Ergebnisse. Ausführliche Resultate des Velothons finden Sie auch hier.
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