nd-aktuell.de / 26.05.2014 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Vorsicht an der Bahnsteigkante ...

Die französische Bahn muss für 50 Millionen Euro ihre Regionalbahnhöfe umbauen

Ralf Klingsieck, Paris
Die Staatsbahn im Nachbarland Frankreich hat ein Problem. Sie ließ Züge bauen, die nicht zu den vorhandenen Bahnsteigen passen.

Die von der französischen Staatsbahn SNCF bestellten 2000 neuen Regionalzüge im Wert von drei Milliarden Euro sind 10 Zentimeter zu breit für 1200 Bahnsteige im Land. Diesen Skandal hat die satirische Wochenzeitung Le Canard enchaîné am vergangenen Mittwoch bekannt gemacht. Die Information war dem Blatt offensichtlich von Verantwortlichen der Regionen zugespielt worden. Die hatten erst kürzlich entdecken müssen, dass ihnen die vom Bahninfrastrukturunternehmen Réseau Ferré de France (RFF) auf 50 Millionen Euro geschätzten Kosten für das Abschleifen der zu breiten Bahnsteigkanten aufgebürdet werden sollen.

Alain Rousset, Präsident der Vereinigung der Regionen (ARF), hat kategorisch ausgeschlossen, dass die Regionen auch nur einen Cent für diesen Mehraufwand ausgeben. »Wir sind Eigentümer und Nutzer der Züge, die in unserem Auftrag von der SNCF bestellt und in vielen Regionen auch von ihr betrieben, aber mit unserem Geld bezahlt werden.« Zuvor habe die SNCF zwei Jahre lang die von Alstom und Bombardier gebauten neuen Züge technisch geprüft. Man habe sich auf deren Kompetenz verlassen, betont Rousset. Dass die Umbaukosten jetzt ihnen aufgebürdet werden sollte, hatte sich im »Kleingedruckten« des umfangreichen Vertrags zwischen den Regionen, der SNCF und RFF versteckt. Die Regionen sind empört. Verkehrsstaatssekretär Frédéric Cuvillier ist überzeugt, dass dieser Skandal »eine Konsequenz der gegenwärtigen Funktionsmängel des französischen Bahnsystems« ist, und setzt große Hoffnung auf die Bahnreform. Sie soll ab Juni im Parlament behandelt werden und die mit der »Öffnung des Bahnmarkts für den Wettbewerb« begründete Trennung des Bahnbetriebs der SNCF von dem durch RFF gemanagten Streckennetz weitgehend überwinden.

Geplant ist ein einheitliches öffentliches Bahnunternehmen mit einem Zweig SNCF Mobilité für den Bahnbetrieb und einem anderen, wirtschaftlich getrennten SNCF Réseau (Netz), der völlig neutral auch den Bedarf der Konkurrenten der SNCF abzudecken verpflichtet ist. Das entspricht etwa der Organisationsstruktur der Deutschen Bahn.

Angesichts des sarkastischen Medienechos auf die Probleme der französischen Bahn im In- und Ausland und der Welle empörter Reaktionen ist RFF inzwischen zurückgerudert und hat angekündigt, die Mehrkosten allein zu tragen. Diese 50 Millionen Euro seien »Peanuts« im Vergleich zum RFF-Jahresetat von acht Milliarden Euro, erklärte RFF-Präsident Jacques Rapoport. Außerdem machen die 1200 umzubauenden Bahnsteige nur 15 Prozent aller Bahnsteige im Land aus. Man habe mit den Arbeiten 2013 begonnen und 300 Bahnsteige seien bereits für die neuen Züge vorbereitet. Bis diese zwischen Anfang 2015 und Ende 2016 in Dienst gestellt werden, würden auch die restlichen Bahnsteige fertig sein. Rapoport versucht, den Skandal herunterzuspielen. Er meint, dass »bei der Einführung jedes neuen Zugtyps bestimmte technische Anpassungen nötig sind« und verweist darauf, dass viele Bahnhöfe seit mehr als 50 Jahren nicht mehr modernisiert wurden. Er muss allerdings einräumen, dass seine Behörde keinen kompletten Überblick über den Abstand zwischen Schienen und Bahnsteigkante in allen Bahnhöfen des Landes hatte und dass RFF das Problem der zu breiten Züge erst 2011 entdeckt hat. Bestellt wurden sie allerdings schon 2009.