Folge 46: ZÜRICH 1980

Lexikon der Bewegungssprache

  • Lesedauer: 2 Min.

1980 ging ein Gespenst um in Europas Städten - das Gespenst der Autonomen. Schwerpunkt der gerade erst entstandenen linksradikal-subkulturellen Bewegung war in jenem Jahr - man möchte es kaum glauben - die beschauliche Schweiz. Als die Stadt Zürich die Forderungen für ein Autonomes Jugendzentrum (AJZ) nicht erfüllte und stattdessen 60 Millionen Franken für den Umbau des Opernhauses bewilligte, kam es Ende Mai 1980 zu den legendären Opernhauskrawallen. Auch wenn das AJZ schließlich einige Wochen später doch eröffnet wurde, folgten monatelange Auseinandersetzungen. Demonstrationen und Straßenschlachten waren im Sommer 1980 in Zürich an der Tagesordnung. »Eisbrecher« hieß die linke Bewegungszeitschrift und gemäß diesem Motto rückten Punks und Hippies dem meterdicken Eis der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu Leibe. Die Polizei (Bulle) reagierte nicht zimperlich, setzte regelmäßig Gummigeschosse und Wasserwerfer ein. Mehr als 4000 Menschen wurden bei den Protesten im Sommer 1980 festgenommen. »Züri brännt!«, das zentrale Schlagwort der Bewegung, stammte von der Züricher Punkband TNT und wurde auch der Titel eines bald auf dem Index stehenden Dokumentarfilms über die Auseinandersetzungen. Über die Hoheit der Bilder wurde heftig gerungen zu einer Zeit, da die neue Videotechnik es den politischen Aktivisten plötzlich ermöglichte, mit Handkameras auf Demonstrationen zu filmen. Die Züricher Polizei setzte sogar Blendlampen ein, um die Kamerateams zu behindern. Nach Zürich folgten Auseinandersetzungen auch in anderen Schweizer Städten sowie im süddeutschen Freiburg, später in Berlin. Trotz heftigster Repression von staatlicher Seite ging das Gespenst der Autonomen weiter um. schmi

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